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Martina Ehrlich

Ab sofort erscheint auf unserer Homepage immer freitags ein neuer Blog-Beitrag zu den unterschiedlichsten Regionen und Themen rund um Lateinamerika. Martina berichtet Aktuelles, Informatives, Skurriles und Spannendes vom Kontinent des Kolibris, erzählt Geschichten vom Reisen bis hin zu praktischen Tipps für die Vorbereitung Ihrer eigenen Reise.

Vom Kontinent des Kolibris 46 – vergessene Flugpioniere und wahre Abenteurer

Sagen Ihnen die Namen Gunther Plüschow und Ernst Dreblow etwas? Nein? – Damit sind Sie sicherlich nicht die einzigen…

In meinen Anfangszeiten als Reiseveranstalterin in Patagonien hatte ich auch noch keine Ahnung von diesen beiden Namen. Es gab Anfang der 90-er-Jahre weder Infos im Internet noch detaillierte Reiseliteratur, in der man auf die beiden gestoßen wäre. Und dennoch habe ich recht rasch die Geschichte der beiden Abenteurer kennengelernt, nämlich als wir einen älteren, fast schon blinden Kunden mit seiner ihn begleitenden Frau auf einer 4-wöchigen Erlebnisreise durch Patagonien mit dabeihatten. Dieser Herr kam aus dem Osten Deutschlands, wo Plüschow und Dreblow wohl eher bekannt waren – und sie waren als Forscher und Flugpioniere seine großen Lebensvorbilder. Er wusste um das sich ganz in der Nähe des berühmten Perito Moreno Gletschers gelegene Denkmal für die beiden – nicht weit von der Straße zum Gletscher und doch versteckt. Wir fragten am Parkeingang und wurden direkt von zwei Rangern begleitet, die uns sichtlich stolz das Denkmal für Gunther Plüschow und Ernst Dreblow zeigten. Eine argentinische Flagge ist dort am Ufer des Lago Argentino gehisst und alljährlich zum Todestag am 28. Januar kommen Delegationen der argentinischen sowie der chilenischen Luftwaffe genau an diesen Ort, um den deutschen Flugpionieren Respekt zu zollen. Unser Kunde erzählte uns vor Ort von den abenteuerlichen Reiseerlebnissen, den waghalsigen Flugmanövern und den wertvollen Erkenntnissen über die Kartografie dieser bis dahin noch so unbekannten Region. Wir standen staunend und schließlich alle mit feuchten Augen vor dem windumtosten Denkmal für zwei Helden, von denen wir zuvor noch nie etwas gehört hatten.

Wieder in Deutschland habe ich nach näheren Infos gesucht und konnte so tatsächlich alte Filmaufzeichnungen sowie das Buch „Silberkondor über Feuerland: Mit Segelkutter und Flugzeug ins Reich meiner Träume“ von Günther Plüschow erwerben. (Das Buch ist übrigens 2007 als Neuauflage wieder erschienen.)

Gunther Plüschow hat ein Leben geführt, das für uns heute kaum noch vorstellbar ist. Schon 1914 machte er 28-jährig seinen Pilotenschein und wurde anschließend im Auftrag der kaiserlichen Armee nach China versetzt, wo er u.a. die Belagerung von Tsingtau durch die Japaner miterlebte. In den Zwanzigern plante er seine Expedition nach Südamerika und ließ nach eigenen Plänen den hochseetauglichen Segelkutter „Feuerland“ bauen, den er selbst nach Chile überführte. Dort bekam Plüschow ein stoffbespanntes, offenes Doppeldecker-Wasserflugzeug der Firma Heinkel geliefert, das speziell für seine Expedition ausgerüstet war. Mit diesem von ihm so genannten „Silberkondor“ erforschte er die Südspitze Südamerikas, Feuerland, Kap Horn und die Kordilleren. Viele dieser Regionen hat er wahrscheinlich als erster Pilot überflogen und an den oft schwierigen Orten eine Landung gewagt. Plüschow erzählt in seinem Buch von all diesen Erlebnissen mit großer Leidenschaft. Zu seiner Zeit wurde Gunther Plüschow ein weltberühmter Pilot und auch sein Flugzeugwart, der graduierter Ingenieur Ernst Dreblow, war nicht unbekannt.

Bei seiner ersten Expedition ist Gunther Plüschow mit fünf Mann Besatzung – seine Frau stieg in Lissabon aus – Ende November 1927 von Büsum an der Nordsee mit einem extra für die Expedition gebauten Segelkutter mit 50 PS Motor gestartet. Die „Feuerland“ war nur 16 Meter lang und damit recht klein für diese 10.000 Seemeilen weite Reise durch extrem stürmisches Meer. Elf Monate später – Ende Oktober 1928 – kamen sie in Punta Arenas an der Magellanstraße an. Die „Feuerland“ diente fortan als Quartier und Basislager.

Das Expeditionsflugzeug kam zerlegt in seine Einzelteile zusammen mit dem Flugwart Ernst Dreblow per Dampfer nach Punta Arenas. Offiziell hieß der Flieger „Tsingtau“, wurde aber von Plüschow selbst „Silberkondor“ genannt und unter diesem Namen auch berühmt. Das Flugzeug war ein offener Doppeldecker aus Warnemünde vom Typ Heinkel 24 und auf Schwimmer gesetzt. Es bestand aus einem Gerippe aus Metall und Holz, das lediglich stoffbespannt war. Deshalb wurde es spottend auch als „Leukoplastbomber“ bezeichnet. Aus heutiger Sicht war dieses Flugzeug ein technisches Spielzeug: es gab keine Funkverbindung und die max. Flugdauer betrug drei Stunden, weil für mehr Treibstoff keine Kapazität vorhanden war. Außerdem war die Maschine einmotorig. Durch die offenen Sitzluken waren Plüschow und Dreblow vollkommen schutzlos jedem Wetter ausgesetzt mit Temperaturen in Höhen von 3.000 – 4.000 Metern von bis zu -40 Grad Celsius!

Der „Silberkondor“ wurde ohne Hebewerkzeuge oder Kran unter primitivsten Umständen in Punta Arenas zusammengebaut. Mit solch einfachem Flugzeug in dieser Region zu fliegen, stellt allerhöchste Ansprüche an den Piloten, da das Wetter völlig unberechenbar und extrem wechselhaft ist. Sehr gefährlich sind vor allem die Fallwinde, die das Flugzeug plötzlich viele hundert Meter in die Tiefe drücken können. Hinzu kommt die Gefahr von starken Stürmen mit höchsten Windgeschwindigkeiten, Regen, Schnee, Hagel und eisige Temperaturen. Sehr gefährlich sind auch die vielen kalbenden Gletscher, die Flutwellen auslösen können, wenn das Flugzeug gerade auf dem Wasser ist sowie das Treibeis, das das Starten und Landen gefährden kann. Zudem gibt es Sogwinde und Luftstrudel, die das Flugzeug fast unkontrollierbar zum Spielball der Winde machen können. Erschwerend war, dass es kaum Kartenmaterial gab, da zu Land viele Gebiete noch völlig unerforscht waren und es aus der Luft noch keinerlei Informationen gab. Erst ihre Luftaufnahmen in Foto und Film machten eine erste Kartographie möglich.

Sie flogen Anfang 1929 als Erste über das Gebiet des heutigen Torres del Paine Nationalparks bis zum Lago Argentino. Beim Flug über das Südliche Patagonische Inlandeis sahen sie dieses als Erste in seiner ganzen Ausdehnung. Am Ende der ersten Expedition im Mai 1929 stellten sie den „Silberkondor“ in der Gefrierfabrik von Puerto Natales unter. Plüschow fuhr mit dem Dampfer nach Hause, verfasste sein Buch „Siberkondor über Feuerland“ und stellte den gleichnamigen Film vor. Beides wurde ein riesiger Erfolg.

Im Juli 1930 kamen Plüschow und Dreblow per Dampfer zur zweiten Expedition nach Südamerika zurück. In Buenos Aires wurde der Film „Silberkondor über Feuerland“ gezeigt, ebenso anschließend in Santiago de Chile. Plüschow war wohl der populärste Deutsche im damaligen Chile. Dreblow fuhr nach Puerto Natales vor, um das Flugzeug startklar zu machen. Leider war dieses in einem sehr schlechten Zustand, da die linke untere Tragfläche von Rattenfraß und Korrosion stark beschädigt war. Dreblow konnte die Mängel notdürftig reparieren.

Bei den Expeditionsflügen der zweiten Expedition wurde u.a. auch der Fitz Roy überflogen. Der größte Erfolg war die ausgedehnte Erforschung des Südlichen Patagonischen Inlandeises. Ausführliche Luftaufnahmen machten kartographische Erfassung möglich und viele „weiße Flecken“ verschwanden von den Landkarten.

Für den 26.01.1931 war der letzte geplante Flug dieser zweiten Expedition angesetzt. Dabei wurden die beiden durch extrem starken Luftstrudel in einen engen Felskrater gedrückt und zur Notlandung auf einem kleinen Bergsee gezwungen. Durch den harten Aufschlag wurden die linken Flügelholme stark beschädigt. Sie konnten diese nur ganz notdürftig reparieren. Mehrmals versuchten sie vergeblich zu starten, jedoch drückten die Fallwinde sie so stark nach unten, dass sie die fast 800 Meter hoch aufragenden Felswände nicht überfliegen konnten. Sie saßen damit in der Falle.

Schließlich schafften sie es am 28.01.1931 doch noch und kamen aus ihrem „Loch“. Aber beim Landeanflug auf den Lago Argentino gab die reparierte linke Tragfläche plötzlich nach und das Flugzeug ist über die linke Seite abgekippt. Es ist aus ca. 600 Metern Höhe sich überschlagend in den Brazo Rico des Sees gestürzt, wie Augenzeugen von einer nahegelegenen Estancia berichteten. Sie sahen, wie die Beiden noch versuchten, sich mit den Fallschirmen zu retten, was allerdings missglückte. Dreblow hatte seinen Fallschirm nicht angeschnallt, um besser fotografieren zu können, Plüschows Fallschirm verfing sich am Flugzeug und es riss ihn mit hinunter… Welch tragisches Schicksal!

Auf allen 5 Kontinenten nahm man mit großer Anteilnahme den Tod der Beiden zur Kenntnis. Sie wurden zuerst am Lago Argentino mit einem schlichten Holzkreuz begraben, dann exhumiert und zur Einäscherung nach Buenos Aires gebracht. Die Urnen wurden per Dampfer nach Hamburg überführt, wo an Bord im Beisein der Witwe und des Sohnes eine Trauerfeier gehalten wurde. In Berlin wurden die Urnen feierlich beigesetzt. Im Januar 1972 wurde das Denkmal am Lago Argentino eingeweiht. Die Luftfahrt-Prominenz Argentiniens war anwesend, ebenso der Botschafter der Bundesrepublik Deutschland. Seither findet jedes Jahr am Todestag eine Trauerfeier am Denkmal statt. Die Argentinische Luftwaffe stellt jedes Mal zwei Flugzeuge zur Verfügung, um aus Buenos Aires die Teilnehmer an diesen entlegenen Platz zu fliegen.

Zitat aus dem Deutschen Museum der Flugwerft Schleißheim anlässlich einer Sonderausstellung 2019 „Gunther Plüschow – Flugpionier. Forscher. Abenteurer“:
„Überflieger zwischen Wundern und Wolken: In China verfolgt, in Südamerika verehrt, in Deutschland fast vergessen: Gunther Plüschow (1886-1931) war der erste Pilot, der Kap Horn, die Torres del Paine und die Darwin-Kordilleren überflog. Mit seinem Begleiter Ernst Dreblow brachte er erstmals Fotos und Filmmaterial aus diesen bis dahin unerforschten Gegenden des südlichsten Teils Südamerikas mit. „Heute dokumentieren Plüschows Bilder des patagonischen Inlandeises auch den Zustand der Gletscher vor dem Klimawandel“, sagt Gerhard Filchner, der Leiter der Flugwerft Schleißheim.“

Haben Sie eine gute Woche

Martina Ehrlich

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