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Petrified wood in Patagonia, Southern Argentina. Pablo H Caridad
Petrified wood in Patagonia, Southern Argentina. Pablo H Caridad
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Martina Ehrlich

Ab sofort erscheint auf unserer Homepage immer freitags ein neuer Blog-Beitrag zu den unterschiedlichsten Regionen und Themen rund um Lateinamerika. Martina berichtet Aktuelles, Informatives, Skurriles und Spannendes vom Kontinent des Kolibris, erzählt Geschichten vom Reisen bis hin zu praktischen Tipps für die Vorbereitung Ihrer eigenen Reise.

Vom Kontinent des Kolibris 45 – Bäume im “Nichts”

„An der Südspitze Amerikas liegt das Nichts. Es ist ein maßloses Nichts, maßlos in Weite und spröder Schönheit. Offiziell gehört es Argentinien, tatsächlich nur dem unablässig fauchenden Sturm“ („GEO-Spezial – Argentinien“ 1994).

In vielen Beschreibungen wird Patagonien als windumtostes „Nichts“ am Südzipfel Südamerikas bezeichnet. Diese Region, die zum Teil in Chile, zum größten Teil jedoch in Argentinien liegt, bietet Reisenden keine „Sehenswürdigkeiten“ im herkömmlichen Sinne. Vor allem nicht der östliche Teil, in dem die Ebene eine fesselnde Weite und – trotz Wind – eine Ruhe im Sinne von „Bei-sich-sein“ bereithält für den, der sich darauf einlassen kann. Es ist ein Nichts, in dem man das Gefühl für Raum und Zeit verlieren kann. Man sagt auch, entweder man mag es oder man hasst es – dieses Nichts. Trotz vieler Widrigkeiten und etlichen Flüchen auf den Lippen, wenn Sturm oder Regen mal wieder sämtliche Aktivitäten unmöglich machten und immensen Aufwand erforderten in meinem Alltag als Reiseleiterin in Patagonien, habe ich diese Region tief in mein Herz geschlossen. Gerade diese Weite – dieses Nichts – ist es, was mich immer noch berührt und sehnsuchtsvoll an Patagonien denken lässt. Hier in Deutschland, wo alles lieblich geordnet ist, wo man oft von einem Kirchturm zum nächsten blicken kann, kennen wir ein solches Nichts nicht. Vielleicht haben solche Regionen unserer Erde deshalb so eine gewaltige Anziehungskraft auf manche von uns. Ich kann es nicht erklären, aber ich liebe diesen Blick in die Weite, diesen Himmel in den Farben der argentinischen Flagge und das Wandern, Reiten oder Fahren durch die Trockensteppe, die in solchen Momenten alles andere ausblendet. Man reist vom Nichts durch das Nichts ins Nichts – herrlich!

Klar gibt es verstreut auch Gehöfte – sogenannte Estancias, die sich schon von ewig weit mit ihren Pappelreihen und Gebäudekomplexen als kleine Punkte im weiten Land ankündigen. Oder natürlich Hügel oder Senken, die man erst bei näherer Betrachtung der Landschaft wahrnimmt. Und wenn man sich die Mühe macht, näher hinzuschauen, entdeckt man am Boden vor allem im Frühjahr unglaublich viel klitzekleines Blühendes in unbeschreiblichen Farben und Formen. Man muss sich in Patagonien zwischen dem Riesigen und dem Winzigen entscheiden – auch das so ein Spruch… Städte gibt es heute natürlich auch, vor allem jedoch unterhalb der Anden und entlang der Atlantikküste.

Und dann sind da noch die „versteinerten Wälder“, die jeweils recht abgelegen von der Vergangenheit dieses vermeintlichen Nichts erzählen… Vor mehr als 100 Millionen Jahren waren die heute steppenartigen Gebiete Patagoniens östlich der Anden mit üppigster Vegetation überzogen. Farne wuchsen im Unterholz von hohen Araukarien (Araucarias mirtiabilis), die in der Zeit des Mesozoikums – Mittleres Jura – riesige Wälder bildeten. Die Bäume sollen eine Höhe von 100 Metern, einen Durchmesser von drei Metern und eine Lebensdauer von um die 1.000 Jahre erreicht haben! Das Klima war damals gemäßigt mit ständigen Westwinden, die viel Feuchtigkeit mitbrachten und so das Wachstum der Pflanzen stark begünstigten. Die heutige natürliche Barriere der Andenkordillere gab es zu der Zeit noch nicht, weshalb die feuchte Luft ungehindert Richtung Osten ziehen und sich dort abregnen konnte. Erst vor ca. 65 Millionen Jahren haben sich die Anden relativ rasch (erdzeitgeschichtlich gesehen…) angehoben, was drastische klimatische Folgen hatte.

Bei der Andenauffaltung am Ende des Mittleren Jura kam es zu starken vulkanischen Aktivitäten und heftigen Beben der Erde. Die hohen Araukarien und andere Bäume stürzten um. Ein gigantischer Lava-Ascheregen – verursacht durch die Eruptionen – wurde durch die starken Winde von West nach Ost getrieben und bedeckte damit in kurzer Zeit die umgefallenen Bäume des einstigen Waldes. Dieser rasche Prozess ließ keinen Sauerstoff mehr durch die Ascheschicht an die umgestürzten Bäume kommen. Deshalb verfaulten sie nicht, sondern wurden mineralisiert, also versteinert. Bei solch einer Versteinerung wird das organische Material durch anorganische Mineralien ersetzt, also das Karbon durch Silizium – der Baum wird zu Stein. Damit das Silizium aus der Asche gelöst werden konnte, muss damals auch Regen gefallen sein. In der Ascheschicht, die die Bäume bedeckt hat, waren also kolloidale Kiesel enthalten, die dann schließlich jedes Molekül der Araukarien sowie der anderen Bäume und Pflanzen durch Kieselsäure, Kalzit, Pyrit und andere Mineralien ersetzt haben, sodass heute die Zellstruktur der Stämme, Zweige, und Baumzapfen nahezu perfekt sichtbar geblieben ist. Teilweise sind sogar die Jahresringe noch deutlich erkennbar.

Wie schon beschrieben, hat sich das Klima in der Region nach der Andenhebung stark verändert. Die Kordillere bildet seitdem eine natürliche Barriere für die feuchtigkeitsgeladene Luft, die sich deshalb so gut wie immer in den Bergen des westlichen Patagoniens abregnet. Östlich der Anden in der patagonischen Steppe herrscht hingegen stets ein Mangel an Feuchtigkeit, d.h. ein Tiefdruckgebiet, welches die feuchte Luft anzieht. Westlich der Anden ist die Luft immer feucht und bildet damit ein ständiges Hochdruckgebiet über dem Pazifik. Dieses klimatische Spannungsfeld drückt sich in den wahnsinnig starken Westwinden über der patagonischen Steppe aus, die wiederum jedes Heranwachsen neuen Waldes verhindern. Die Windstärke kann bis zu 160 Stundenkilometer erreichen!

Solche ständigen Winde haben natürlich starke Winderosion zur Folge, die im Laufe der Jahrtausende weiche Erdschichten abgetragen haben. Festere Erdschichten blieben erhalten und formten neue Landschaftsbilder. Über die Millionen Jahre hinweg wurden in jüngster Vergangenheit so auch die ehemaligen Bäume und nun versteinerten Überreste vom Wind mehr und mehr freigelegt. Wie ein offenes erdzeitliches Geschichtsbuch zeigt sich an einigen Orten in Patagonien der einstige üppige Wald und wird weiterhin aus dem Erdreich geschält.

Der „Bosque Petrificado de Jaramillo“ liegt im Nordwesten der Provinz Santa Cruz inmitten der zerklüfteten patagonischen Steppe und gilt als eines der besten Naturschutzgebiete versteinerter Bäume weltweit. Es wurde 1954 zum Naturdenkmal erklärt und 2012 in einen Nationalpark mit einer eine Fläche von 78.543 ha umgewandelt. Der „Bosque Petrificado de Jaramillo“ ist über die „Ruta 3“ von Jaramillo im Norden oder von Puerto San Julián im Süden zu erreichen. Am Kilometer „2074“ zweigt die Provinzstraße 49 ab, die nach 50 Kilometern die Ranger-Station des Parks erreicht. Dort gibt es Interpretationszentrum und ein kleines Museum. Der Nationalpark liegt in einem weitläufigen Tal, umringt von roten, gelben und schwarzen Bergen. Auf einem angelegten Pfad von etwa 2 km kann man große Exemplare versteinerter, einst etwa 30 Meter hoher Araukarien sehen und versuchen sich vorzustellen, wie es hier einmal aussah…

Deutlich einfacher und schneller zu erreichen ist das Naturreservat „José de Ormachea“ – auch bekannt als „Bosques Petrificados de Sarmiento“ – nahe der Kleinstadt Sarmiento in der Provinz Chubut. Von Sarmiento aus gelangt man über eine teilweise asphaltierte Straße zum 28 km entfernten versteinerten Wald. Auch hier gibt es einen Spazierweg, der nah an die versteinerten Bäume führt. Man berichtet, dass die heute hier liegenden Bäume ursprünglich nicht an diesem Ort gewachsen sind, sondern einst von den heute ausgetrockneten Flüssen hertransportiert wurden.

Von El Calafate aus werden Tagesausflüge zum rund 100 km entfernten kleineren versteinerten Wald „La Leona“ angeboten.

Egal wo man solch einen versteinerten Wald in Patagonien besucht – der Gedanke daran, dass das heutige „Nichts“ einmal von üppiger Vegetation bedeckt war, die einer Unzahl von Sauriern Nahrung bot, ist spannend und führt uns die eigene Vergänglichkeit einmal mehr vor Augen.

Ihnen eine gute Woche

Martina Ehrlich

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