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Martina Ehrlich

Ab sofort erscheint auf unserer Homepage immer freitags ein neuer Blog-Beitrag zu den unterschiedlichsten Regionen und Themen rund um Lateinamerika. Martina berichtet Aktuelles, Informatives, Skurriles und Spannendes vom Kontinent des Kolibris, erzählt Geschichten vom Reisen bis hin zu praktischen Tipps für die Vorbereitung Ihrer eigenen Reise.

Vom Kontinent des Kolibris 16 – das Andenken an die Ahnen

Nächste Woche am Mittwoch, erster November, ist Feiertag – in unserem christlichen Kulturkreis Allerheiligen genannt. Wenn man den Feiertag ernst nimmt, gedenkt man auch hier den Verstorbenen. Für viele Menschen bei uns ist der Feiertag jedoch zur willkommenen Ausschlaf-Option nach der Grusel-Partynacht Halloween geworden.

Der lateinamerikanische sogenannte „Día de los Muertos“ – der Tag der Toten – ist schon lange vor der Ankunft der Europäer und damit vor der Ankunft des christlichen Glaubens ein wichtiger Feiertag für die indigene Bevölkerung gewesen. Und das ist er bis heute und hat rein gar nichts mit dem aus den USA auch zu uns herübergeschwapptem Brauch von Halloween zu tun. In vielen Ländern Lateinamerikas beginnen die Vorbereitungen für die Feierlichkeiten des “Dia de la Muerte” bereits Mitte Oktober, die Festivitäten sind dann je nach Land ab 31. Oktober bis Allerseelen am 2. November. Ganz anders jedoch als bei uns gedenkt man der Toten nicht in aller Stille, sondern man feiert sie lautstark. Man feiert zusammen mit den Verstorbenen das Leben.

Für die spanischen Missionare war der „Día de los Muertos“ heidnisch und sollte ausgetrieben werden. Die Kirche arrangierte sich schließlich mit der indigenen Bevölkerung und legte den „Día de los Muertos“ einfach mit den christlichen Totengedenktagen Allerheiligen und Allerseelen zusammen. Heute sind sich die Menschen in Lateinamerika sicher, dass in den Nächten des 1. und 2. Novembers eines jeden Jahres die Toten für ein paar Stunden zu Besuch aus dem Jenseits kommen. Und dafür wird hier im Diesseits alles vorbereitet, um die Tage mit den Ahnen gebührend zu feiern.

Persönlich konnte ich vor vielen Jahren einmal in Ecuador in einem kleinen Bergdorf den „Dia de la Muerte“ miterleben. Wir haben dort ein halbes Jahr lang gelebt, ein Ferienhaus eines Einheimischen verwaltet und uns bei einem ortsansässigen Sattler mit dem Lederhandwerk vertraut gemacht. Wir waren recht gut ins Dorf integriert – soweit dies eben als ausländischer Zeit-Gast möglich ist. Jedenfalls war es schon erstaunlich und für unseren Geschmack auch etwas befremdlich, dass es überall ab etwa Mitte Oktober Zuckerzeug, Backwaren und Papierschmuck in Form von Knochen, Totenköpfen und ganzen Skeletten zu kaufen gab. Es schien normal zu sein und auf unser Nachfragen hin erfuhren wir, dass dieser ganze Aufwand jedes Jahr zu Ehren der Verstorbenen betrieben wird. Uns wurde erklärt, dass die Seelen der Toten am 1. November aus den Gräbern aufsteigen und dass die Lebenden zusammen mit ihren Ahnen an diesem Tag gemeinsam das Leben feiern. Wir wurden eingeladen, am Abend des „Dia de los Muertos“ auf den Friedhof zu kommen.

Unser Gang zum Friedhof fühlte sich ziemlich seltsam an. Schon von weitem war zu erkennen, dass sich das gesamte Dorf zwischen den Gräbern versammelt und unzählige Kerzen entzündet hat. Beim Näherkommen sahen wir, dass es sich die meisten Leute auf Decken und die Älteren auf Stühlen und Hockern rund ums Familiengrab gemütlich gemacht haben. Tücher waren ausgebreitet, auf denen das leckerste Picknick und genug Alkohol aufgebaut war. Die Stimmung war ausgelassen und laut, aus kleinen Radios tönte unterschiedlichste Musik, man prostete sich zu und verspeiste die leckeren Köstlichkeiten. Die Toten wurden dabei einbezogen. Man gab ihnen zu essen von ihrem Lieblingsgericht und vom Feinsten zu trinken, was man sich leisten konnte. Die Leute sprachen, weinten und lachten miteinander – und mit ihren Verstorbenen. Dazu war der gesamte Friedhof bunt geschmückt mit Skeletten, Totenschädeln, Lieblingsgegenständen der Toten sowie orangegelben Studentenblumen. Im Spanischen ist das die „Flor del Muerte“ – die Totenblume. Das Ganze war für uns ein bizarres Bild, welches wir mit etwas Abstand betrachteten und das uns uns hier ziemlich fremd fühlen ließ.

Berühmt wurde der „Dia de los Muertos” aus Mexiko. Dort ist der „Tag der Toten“ ein regelrechtes Volksfest mit einer Explosion an Farben und lebensbejahender Freude. Zwar geht es um den Tod, aber tieferer Sinn des Festes ist, die eigene Liebe und den Respekt für verstorbene Familienmitglieder offen zu zeigen. In Dörfern und Städten in ganz Mexiko tragen Feiernde farbenfrohe Kostüme, veranstalten Festumzüge, singen, tanzen und bringen den geliebten Verstorbenen Gaben dar.

Straßen und die Eingangspforten der Häuser werden mit Studentenblumen zusammen mit Ringelblumen und gelben Chrysanthemen als Empfangsteppich und Wegweiser für die Verstorbenen vom Haus bis zum Friedhof geschmückt. Die gelbe und orangene Farbe der Blüten soll den Toten den richtigen Weg leuchten. Das „Pan de Muerte“ – mit Knochensymbolen verziertes Brot der Toten – wird überall verspeist und selbstverständlich sind Totensymbole in jeder Form überall präsent. Laternen werden aufgehängt, Kerzen angezündet. In den Wohnungen sowie auf öffentlichen Plätzen werden traditionelle Totenaltare oder Gabentische aufgebaut, die reichlich mit Speisen und Getränken, Blumen und persönlichen Erinnerungsgegenständen gedeckt werden. Die Toten sollen sich nach ihrer langen Reise stärken und einige der Gaben auch wieder zurück in ihr Totenreich mitnehmen. Fotos der Verstorbenen, Kerzen und Weihrauch sollen an gemeinsame Zeiten erinnern.

In der Nacht zu Allerheiligen werden zuerst die Seelen der verstorbenen Kinder erwartet. Man nennt sie „Angelitos“ – Engelchen. Dann in der Nacht auf den 2. November kommen die Seelen der verstorbenen Erwachsenen. Auf den Friedhöfen wird dann schließlich wieder Abschied von den Verstorbenen genommen. Es werden mitgebrachte Speisen verzehrt, es wird getrunken, musiziert und getanzt. Um Mitternacht ist dann die Zeit gekommen, dass die Toten zurück ins Jenseits gehen. Das Fest ist zu Ende, bis die Ahnen im nächsten Jahr zurückkehren.

Der „Día de los Muertos“ entstand vor mehreren Tausend Jahren bei den Azteken, Tolteken, Nahua und bei anderen Völkern, die das Betrauern ihrer Toten als respektlos empfanden. Die Azteken sahen den Tod nicht als Ende, sondern als einen Anfang von neuem Leben, sozusagen eine Übergangsphase zu einer anderen Daseinsform. Die Toten galten noch immer als Mitglieder der Gemeinschaft und wurden im Geiste und in Erinnerungen am Leben erhalten. In Vermischung mit dem christlichen Glauben entstand ein einzigartiges kulturelles Fest, das die Bräuche des vorspanischen Mexiko teilweise weiterleben lässt. In vorspanischer Zeit sollen die Azteken sogar ihren Feinden einen Ort zugewiesen haben, an den die Geister ihrer Ahnen zurückkehren konnten. Auf einem „Tzompantli“ – einer Art Altar – wurden Schädel als Gefäß für die Geister aufgereiht.

Fazit: was in unseren Breiten zum Teil makaber wirkt, ist in Lateinamerika völlig normal. Der „Dia de los Muertos“ ist bunt und laut – ein Festtag, den die ganze Familie zusammen feiert. Neben Mexiko und Ecuador feiert man den „Tag der Ahnen“ auch in Guatemala, Honduras, Nicaragua, El Salvador, Venezuela, Peru, Bolivien und Kolumbien.

Ich wünsche Ihnen abschließend einen schönen 1. November – wie auch immer Sie diesen verbringen werden.

Ihre Martina Ehrlich

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