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Martina Ehrlich

Ab sofort erscheint auf unserer Homepage immer freitags ein neuer Blog-Beitrag zu den unterschiedlichsten Regionen und Themen rund um Lateinamerika. Martina berichtet Aktuelles, Informatives, Skurriles und Spannendes vom Kontinent des Kolibris, erzählt Geschichten vom Reisen bis hin zu praktischen Tipps für die Vorbereitung Ihrer eigenen Reise.

Vom Kontinent des Kolibris 11 – über den „Picasso Lateinamerikas“

Mögen Sie Kunst? – Mir selbst geht es so, dass ich durch meine vielen Reisen nicht allzu oft Zeit hatte, tief in die künstlerische Szene einzutauchen. Dennoch gibt es Künstler und Künstlerinnen, die mich tief berühren, deren Lebensumstände mich fesseln und auf deren Spurensuche ich mich gemacht habe. Einer dieser großen Künstler ist heute vor genau einer Woche, nämlich am 15.09.2023, verstorben. Und vor ihm möchte ich mich heute verneigen.

Wer kennt sie nicht – Fernando Boteros weltberühmte dicke Skulpturen mit den seltsamen Proportionen. Münder können miniklein, Beine bombastisch voluminös sein. Botero spielt mit den Gliedmaßen und schafft damit ganz neue Kreaturen in seinem unverwechselbaren Stil. Seine Skulpturen stehen in Flughäfen, auf Plätzen, in Galerien und Parks – in Barcelona, Bogotá, Berlin, Singapur, Vaduz, New York, Paris, Jerusalem, Medellín und an vielen Orten mehr.

Fernando Botero gilt als einer der bekanntesten bildenden Künstler Lateinamerikas. Er wurde 1932 in bescheidenen Verhältnissen in der kolumbianischen Stadt Medellín geboren. Schon mit 12 Jahren begann er zu malen. Rasch verdiente er sich seinen Lebensunterhalt als Illustrator und Designer. Mit 16 Jahren nahm er zum ersten Mal an einer Ausstellung von Malern in Medellín teil, ging dann nach Bogotá und später nach Europa. Schon in den späten 50er Jahren fand er seinen eigenen, mittlerweile weltberühmten Stil. Sein Gesamtwerk umfasst mehr als 2.000 Gemälde, 3.000 Zeichnungen und 100 Skulpturen. Er blieb bis ins hohe Alter aktiv und arbeitete nach eigener Schilderung um die zehn Stunden am Tag. Anlässlich seines 80. Geburtstages sagte er: „Ich denke häufig an den Tod, und es macht mich traurig, diese Welt zu verlassen und nicht weiter arbeiten zu können, weil die Arbeit mir große Freude macht.“

Der Kolumbianer hatte eine besondere Vorliebe für Rundungen, Extravaganz, übertriebene Dimensionen und Kurven. Ob man die „dicken Figuren“ von Botero mag oder nicht – ihrer Präsenz entziehen kann man sich jedenfalls nicht. Ich kannte einzelne Werke von ihm, die ich irgendwo einmal zufällig gesehen hatte. Selbst als Kunstbanause erkennt man seinen unverwechselbaren Stil auf Anhieb und weiß, dass es sich nur um einen „Botero“ handeln kann.

Was bei Künstlern ja nicht so häufig vorkommt, so war Fernando Botero auch finanziell bereits zu seinen Lebzeiten sehr erfolgreich. Kein anderer lateinamerikanischer Künstler erzielte während seines Lebens so hohe Preise für seine Werke wie er. Seine Skulptur “Mann auf Pferd” wurde 2022 vom Auktionshaus Christie’s für 4,3 Millionen Dollar verkauft! Botero konnte und wollte seiner Stadt Medellín, seiner Heimat Kolumbien und den Menschen im Allgemeinen durch Geschenke seiner Werke die Kunst näherbringen. Nur so konnten die Museen in Bogota und Medellín sowie die beeindruckende Plaza Botero in Medellín entstehen. Seine Spenden werden auf einen Gesamtwert von mehr als 200 Millionen Dollar geschätzt.

Beschäftigt mit dieser eigenwilligen Kunst habe ich mich erst so richtig seit vier, fünf Jahren. Auf einer Toskanareise kam ich mit meinem Mann in die einladende Künstlerstadt Pietrasanta. In unzähligen Marmorwerkstätten verarbeiten hier weltberühmte Künstler den herrlichen Marmor, der aus den nahen Bergwerken gesprengt wird. Außerdem gibt es etliche Kunstgießereien. Ich staunte nicht schlecht, als ich in dieser toskanischen Idylle einen Krieger Boteros mitten auf der Straße stehen sah. Was hat Botero mit der Toskana zu tun? – Nach ein bisschen Recherche wusste ich, dass sich der Künstler nach seinen Reisen in Madrid, Paris, Florenz und New York 1983 entschloss, ein Haus in Pietrasanta zu kaufen. Er liebte das hübsche italienische Städtchen und genoss die überschaubare „heile Welt“ für sein künstlerisches Schaffen. Er eröffnete ein Atelier mit einem großen Raum nicht weit von der Piazza Duomo entfernt, pflegte engen Kontakt mit den Menschen und hinterließ immer mehr Spuren seiner Kunst in Pietrasanta. 2001 wurde Fernando Botero zum Ehrenbürger von Pietrasanta ernannt. 2007 wurden sieben seiner Bronzestatuen im Wert von rund 4 Millionen Euro aus seinem Atelier in Pietrasanta gestohlen, wovon fünf wiedergefunden wurden. 2020 schenkte der Künstler Pietrasanta ein Gemälde zugunsten von Menschen, die aufgrund der Covid-19-Pandemie in Not geraten waren. Ich selbst war von meinem Besuch in Pietrasanta in vielerlei Hinsicht ziemlich beeindruckt – und das Leben und Wirken von Fernando Botero wurde zu einer Offenbarung für mich.

Und dann hatte ich das große Glück, dass ich letzten Sommer eine Kolumbienreise machen konnte. Natürlich bin ich mit wachen Augen allen Spuren Boteros gefolgt. Hing dem Museumsführer in Bogota an den Lippen, als er uns die statischen, mit breiten Farbpinselstrichen gezeichneten Gemälde des Künstlers erklärte. Es ging – laut Museumsführer – Fernando Botero immer darum, unsere vorgefertigten Blickwinkel zu überlisten. Ein Mund ist ein Mund. Aber derselbe Mund in einem kleinen Gesicht oder derselbe Mund in einem riesigen Gesicht haben eine ganz andere Wirkung auf uns. Boteros Gemälde leben von der Spannung, die sich durch den Gegensatz der Üppigkeit und der gleichzeitigen Reduktion der Details ergibt. Er spielt mit den Proportionen – eigentlich spielt er mit uns. Er sagte wohl auch einmal, dass seine grotesk-naiven Figuren mit den überdimensional dicken Körpern als Symbole einer degenerierten Kolonialbourgeoisie zu verstehen sind. Beim Rundgang durch Boteros Heimatstadt Medellín kommt man an der Plaza Botero nicht drumherum. Dort stehen 23 große Skulpturen, die er seiner Heimatstadt gestiftet hat. Sie sind in der Alltagswahrnehmung der Menschen integriert und sehr präsent. Die Kolumbianer sind stolz auf Ihren Stadtsohn und viele lassen sich vor seinen einzigartigen Skulpturen ablichten.

Bei Kunstkritikern kam Fernando Botero nicht immer gut an, aber viele Menschen lieben seine surrealen Figuren. Er gilt als Künstler der Reichhaltigkeit, seine Werke sind statisch und üppig, mit einem Hauch von Ironie. Er selbst beschrieb die Realität als „trocken“ und möchte unseren Blick weiten für andere Dimensionen und neue Blickwinkel durch seine Figuren.

Botero bezeichnete sich als „den kolumbianischsten aller kolumbianischen Maler“.  Nun ist der Kolumbianer Fernando Botero im Alter von 91 Jahren gestorben.

Sollten Sie also einmal nach Pietrasanta in die Toskana reisen oder sogar einmal nach Kolumbien kommen, öffnen Sie Ihre Wahrnehmung und Ihr Herz für diesen Mann der Üppigkeit und der kleinen Details. Mich hat er berührt und irgendwie glücklich gemacht.

Hasta la proxima semana,

Martina Ehrlich

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