Die Wüste von Atacama gilt gemeinhin als die trockenste Wüste unserer Erde außerhalb der Polarregionen. Sie liegt ganz im Norden Chiles und grenzt im Westen an den Pazifik, im Osten an Bolivien sowie Argentinien und im Norden an Peru. Aber im Grunde endet die Küstenwüste der Atacama natürlich nicht abrupt an der Grenzlinie zwischen Chile und Peru, sondern sie setzt sich Richtung Norden weiterhin fort entlang der Küstenregion Perus bis nach Ecuador. Erst dort – etwa auf der Höhe des Mündungsdeltas des Rio Guyaquil – löst grüne Vegetation die karge Wüste der Pazifikküste ab. Diese gesamte Küstenwüste erstreckt sich über mehr als 3.500 Kilometer! Dennoch bezieht sich der Name Atacama ausschließlich auf den chilenischen Wüstenabschnitt. Dieser erstreckt sich über eine Distanz von rund 1.200 Kilometern zwischen dem 18. und 27. Breitengrad Süd ungefähr zwischen den Städten Tacna im Süden Perus und Copiapo im Norden Chiles.
Sie liegt im Regenschatten der Anden, d.h. etwaige Ostwinde sind trocken und bringen dem Gebiet keine Niederschläge. Nahe der pazifischen Küste verhindert die kalte Meeresströmung des Humboldtstroms die Entwicklung von Regenwolken, so dass – anders als weiter südlich – kein Steigungsregen fällt. Das kalte Meerwasser bedingt allerdings auch, dass die Atacama-Wüste kühl ist und insbesondere in Küstennähe oft Nebel vorherrschend ist. Die Atacama gehört damit zu den sogenannten Nebelwüsten. Temperaturunterschiede zwischen Tag und Nacht können bis zu 45 Grad Celsius betragen.
Die Atacama-Wüste ist um die 15 Millionen Jahre alt und gilt als ungefähr 50-mal trockener als beispielsweise das Death Valley in den USA. Als durchschnittliche jährliche Niederschlagsmengen werden an etlichen Orten nur 0,5 Millimeter gemessen. Es gibt Wetterstationen in der Atacama, die in ihrer Geschichte nicht einen Tropfen Niederschlag verzeichnet haben!
Trotz ihrer Wasserarmut ist die chilenische Atacama-Wüste schon früh besiedelt worden. Die Völker der Atacameños, der Aymara, der Chinchorros und der Diaguitas lebten um die spärlichen Oasen in der Region. Die ältesten Mumien der Welt gehören zur Chinchorro-Kultur und stammen aus der Atacama. Dabei handelt es sich um mumifizierte Babys, die vor mehr als 7.000 Jahren bestattet wurden. Anschließend wurde das Gebiet Teil des Inkareiches. Im Jahr 1536 erreichte der spanische Konquistador Diego de Almagro als erster Europäer der Gegend um Copiapó. Nach dem Zerfall der Inka-Herrschaft kam die Wüste unter spanische Herrschaft. 1553 beschrieb Cristóbal de Molina die Region folgendermaßen: „…eine Sandlandschaft von 100 Leguas, wo es sehr wenig Wasser gibt und weder Gras noch grüne Dinge; in der gesamten Einöde findet sich solches nicht, lediglich an vier oder fünf Stellen…“
Die Unabhängigkeitsbestrebungen der südamerikanischen Staaten ließen die Atacama vorerst an Bolivien fallen. Da man neben den paar Wüstenoasen keinerlei Siedlungen sowie keine Bodenschätze vorfand, war die Atacama-Wüste für die neuen Herrscher nicht von Bedeutung und die Grenzlinien waren nicht eindeutig definiert, was niemanden interessierte.
1832 wurde in Chañarcillo etwa 50 Kilometer südlich von Copiapó eine große Silberlagerstätte entdeckt, wodurch Chile für Jahrzehnte zu einem der größten Silberproduzenten der Welt wurde. Und dann fand man im Grenzgebiet zwischen Chile, Peru und Bolivien reiche Nitratvorkommen, die für Düngemittel und Schwarzpulver in Europa unabdingbar wurden. Plötzlich waren die Besitzansprüche der drei Länder groß, es gab Streitigkeiten über die Nutzungshoheiten, die schließlich im in der Wüste geführten Salpeterkrieg von 1879-1884 gipfelten. Letztendlich konnte Chile diesen Krieg mit britischer Ermutigung und Hilfe gegen Peru und Bolivien für sich entscheiden und damit sein Territorium auf Kosten der Nachbarländer erheblich erweitern. Bis zu diesem Zeitpunkt war die heutige „Región de Atacama“ die nördlichste Provinz Chiles, heute ist sie die 3. Region. Bolivien verlor nicht nur weite Teile der Küstenwüste, sondern auch seinen Zugang zum Pazifischen Ozean.
Der Name „Atacama“ soll von den spanischen Eroberern von der indigenen Bevölkerung übernommen worden sein. Forschungen lassen vermuten, dass sich das Wort von „p’atacama“ ableiten lässt, was in der von den Inkas gesprochenen Quechua-Sprache so viel bedeuten kann wie „Treffpunkt“ oder „Ort mit Bäumen“. Ersteres würde sich auf die Wüstenoasen beziehen, in denen sich die verschiedenen indigenen Gruppen einst getroffen und Waren ausgetauscht haben. Zweiteres bezieht sich darauf, weil damals noch mehr Tamarugal-Bäume in der Region vorkamen.
Aufgrund des extrem trockenen Wüstenklimas und der geringen Besiedelung besteht im Gebiet der Atacama so gut wie keine Luftverschmutzung. Der Himmel ist dadurch klar, wie nur an wenigen Stellen unserer Erde, so dass man mehrere große Sternwarten auf den Bergen errichtet hat. Die Sternwarten La Silla und Las Campanas liegen rund 50 km südlich von Vallenar. Auf dem Berg Cerro Paranal – 120 km südlich der Hafenstadt Antofagasta – hat die Europäische Südsternwarte das Paranal-Observatorium errichtet. Weitere Teleskope sind das auf der Chajnantor-Hochebene liegende Atacama Large Millimeter Array und das Atacama Pathfinder Experiment. Weiterhin befindet sich auf dem Cerro Armazones derzeit mit dem ELT eines der weltgrößten Teleskope in Bau. Die USA nutzten die Atacama-Wüste zum Testen einiger ihrer Marssonden.
Auch wenn die Atacama-Wüste als eine der trockensten Wüsten der Erde gilt und eine karge Sand- und Felsenwüste darstellt, ist der Boden im Grunde sehr fruchtbar. Dies liegt am jungen Vulkanboden, der voller Nährstoffe steckt. Bildlich erleben kann man diese Fruchtbarkeit alle paar Jahre für kurze Zeit, wenn es durch die Auswirkungen des Klimaphänomens „El Niño“, welches mit dem Zurückbleiben des Humboldtstromes einhergeht, zu heftigen Niederschlägen in der Atacama-Wüste kommt. Sofort beginnt die Wüste für einen kurzen Zeitraum zu Blühen – ein absolut spektakuläres Naturphänomen.
Nächste Woche steigen wir tiefer ein in das Gebiet der Atacama – bleiben Sie gespannt!
Martina Ehrlich