Ein gutes neues Jahr 2025 für Sie alle!
In den östlichen Ausläufern der bolivianischen Anden liegt auf gut 1.600 Metern über dem Meeresspiegel das beschauliche Städtchen Samaipata. In den bolivianischen Ferienzeiten kommen gerne Menschen aus der schwülen Metropole Santa Cruz in den ansonsten eher verschlafenen Bergort – sozusagen zur Sommerfrische. Die geduckten Häuser inmitten grüner Berglandschaft strahlen Frieden und Dorfidylle aus, was ganz dem Namen Samaipata entspricht, der aus der Quechua-Sprache übersetzt so viel wie „Ruhe in der Höhe“ bedeutet. Samaipata wird aus zwei Gründen von internationalen Besuchern aufgesucht. Erstens weil der Ort so nahe am Amboró Nationalpark liegt und zweitens wegen des sogenannten Fuerte de Samaipata, welches auch als Samaipata Astronomical Observatory, Samaipata Cosmic Center oder Samaipata Ceremonial Center bekannt ist.
Fuerte de Samaipata liegt etwa sechs Kilometer östlich des Ortes auf und rund um ein natürliches schräges Felsplateau und ist eine schon vor der Inkazeit errichtete archäologische Stätte der Chané-Kultur. Der Fels gilt als der größte behauene Stein der Welt und die gesamte Ausgrabungsstätte wurde 1998 von der UNESCO zum Weltkulturerbe erklärt. Sie liegt auf einer Höhe von 1.950 Metern über dem Meeresspiegel. Die archäologische Stätte gilt auch deshalb als einzigartig, weil sie von vier verschiedenen Kulturen besiedelt war. Ursprünglich waren dies die schon benannten Chané, danach nahmen das Volk der Inka die Stätte ein und baute sie noch aus. Im Anschluss zogen die Chiriguano (ein Volksstamm der Guaraní) in die Stätte ein und schließlich nutzen die Spanier Fuerte de Samaipata als Basislager.
Doch zurück zum Anfang: den Chané diente der markante freistehende Fels mit bester Aussicht in alle Richtungen als astronomisches und kosmisches Zentrum – vermutlich zwischen 200 und 900 nach Christus. Und wie bei Urvölkern üblich, war solch eine bedeutende Stätte gleichzeitig ein Ort ihres Glaubens an die Götter. Mond und Gestirne waren nicht nur Kalender für die Orientierung der Aussaat und Ernte für die Menschen, sondern sie wurden auch religiös verehrt. Auf dem freien Felsen wurden verschiedene zeremonielle Riten durchgeführt und Opfergaben dargebracht. So findet man – trotz der jahrhundertelangen Wind- und Wassererosion – auf dem großen Felsplateau auch heute noch etliche Gravuren, Kanäle und Becken. Wissenschaftler sind sich einig, dass der Jahresverlauf mit seinen Mondphasen und Regen- sowie Trockenzeiten das Leben der Chané bestimmten. In den Becken wurde das Regenwasser aufgefangen, um dann darin das Spiegelbild des Himmels mit den Sternenkonstellationen abzulesen.
Das Volk der Inkas errichtete innerhalb kürzester Zeit im Andenraum ein riesiges Imperium, indem Abgesandte in Gebiete aller Richtungen vordrangen, um weitere kleine Völker für sich zu vereinnahmen. Zu den Chané bei Fuerte de Samaipata kamen sie nach heutigem Wissensstand etwa 1410 und überzeugten mit kunstvollen Geschenken den lokalen Anführer Grigota. Nach der Vereinnahmung der Chané durch die Inkas in ihr großes Reich bauten sie vor Ort einige Gebäude im typischen Stil der Inkas mit den trapezförmigen Fenstern, Nischen und Türen und angeblich wurde Samaipata für sie ein wichtiger Ort, um im Umland nach Mineralien zu suchen, die anderswo im Reich schwer zu finden waren, so z.B. den helllila Bolivianit – Ametrin. Die Präsenz der Inkas war allerdings in Fuerte de Samaipata nur von kurzer Dauer. Bei ihrem weiteren Vordringen gen Osten stießen sie im Tiefland auf die Chiriguanos, die dem kämpferischen Volk der Guaraní angehörten. Diese strotzten den Inkas und drängten sie wieder zurück in die Berge.
So kamen die Chiriguanos bereits um 1430 nach Fuerte de Samaipata, töteten dort den inkatreuen lokalen König Grigotá und versklavten die Chanés. Die Chiriguanos hinterließen keinerlei Bauwerke, nur ein paar ihnen zuzuordnende Artefakte aus Ton u.a. Sie dominierten Samaipata und das Umland bis zur Ankunft der spanischen Konquistadoren um das Jahr 1600.
Die Spanier nutzen El Fuerte de Samaipata zunächst als Basislager. Man findet noch heute inmitten der Ruinen ein spanisches Haus, das an diese Zeit erinnert. Sie vermuteten, dass sie einen heiligen Ort der Urbevölkerung gefunden hatten und suchten in dessen Umfeld nach wertvollen Mineralien. Schon um 1630 sollen sie „El Fuerte“ wieder verlassen haben. 1795 besuchte der böhmische Naturforscher Tadeo Haenke die verlassene Ausgrabungsstätte. Er hielt seine Beobachtungen in seinem Tagebuch fest und erstellte die erste Skizze der vielfältigen Gravuren auf dem Felsplateau.
Nach der Unabhängigkeit Boliviens erkannte man rasch die Bedeutung des behauenen Felsplateaus von Samaipata, so dass im Laufe der Jahrhunderte Forscher aus verschiedensten Ländern anreisten und ihre Theorien veröffentlichten. So besuchte der französische Naturforscher Alcide d’Orbigny Fuerte de Samaipata bereits um 1830 und erstelle einen schematischen Plan der Strukturen des Hügels. In seinen Beschreibungen sind viele Reliefs festgehalten, die aufgrund von Erosion heute verschwunden sind. 1908 kam der schwedische Baron Erland Nordenskiöld aus Santa Cruz nach „El Fuerte“ machte erste Fotografien. In den 30er und 40er Jahren erstellte Leo Pucher einen schematischen Plan bearbeiteten Felsplateaus und sprach von einem animistischen und totemistischen Tempel der Vor-Inka-Zeit. Auch der deutsche Wissenschaftler Hermann Trimborn von der Universität Bonn besuchte Samaipata zweimal (1955 und 1960).
Wirklich einem breiten Publikum bekannt wurde Fuerte de Samaipata tatsächlich durch die Theorien des Schweizer Hobbyforschers Erich von Däniken. Er sah in den beiden vertieften, parallel verlaufenden Rillen auf dem schräg nach oben führenden Felsen ganz klar eine Startrampe für UFOs und untermauerte damit einmal mehr seine Theorie des Kontaktes der südamerikanischen Urvölker mit Außerirdischen… Auch wenn bis heute die Bedeutung der Darstellungen auf dem Felsplateau noch nicht gänzlich geklärt ist, so gilt Dänikens steile These der Startrampe ins Universum als eindeutig widerlegt.
Ein Besuch von Samaipata ist absolut beeindruckend. Sie erreichen Fuerte de Samaipata leicht über den Ort Samaipata, in dem es charmante Übernachtungsmöglichkeiten gibt. Im nahen Umland von Samaipata wartet traumhafte Landschaft mit Tafelbergen und Nebelwäldern mit einer reichen Flora und Fauna. Der Amboró Nationalpark gehört zu den artenreichsten der Erde!
Haben Sie eine schöne Woche
Martina Ehrlich