Weihnachten steht vor der Türe und da ich grade thematisch mitten in Bolivien bin, soll auch dieser Blog-Beitrag mit Weihnachten in Bolivien zu tun haben…
Im Dezember herrscht in Bolivien Sommer. Das bedeutet, dass es im Hochland – dem Altiplano – rund um den Titicacasee, den Salar de Uyuni, in den Bergen sowie in den Städten La Paz, Oruro und Potosí regnet oder auch schneit. Es ist meist bewölkt und man kann nicht den strahlend blauen Himmel über der Landschaft wie zur Trockenzeit erwarten. Wenn die Sonne jedoch zwischen den Schauern oder Wolkenhimmeln mal durchbricht, erstrahlt eine bezaubernde wunderschöne Landschaft. Denn im Gegensatz zu den Trockenmonaten, wenn alles eher in Gelb-, Gold- und Brauntönen gefärbt ist, lassen die vielen Regenfälle das Land erblühen in satten Grüntönen. Der Salzsee steht zu dieser Jahreszeit in der Regel unter Wasser, so dass sich bei Windstille die umgebende Landschaft mit den Bergen und Hügeln sowie der komplette Wolkenhimmel darin spiegeln – man fühlt sich wie in einer anderen Welt.
Den flächenmäßig größten Teil Boliviens nehmen allerdings die Llanos – die Tieflandregionen – ein, die viel weniger bekannt sind und über die ich auch noch nichts berichtet habe in den vorherigen Beiträgen. Sie breiten sich von den östlichen Bergen bis an die östliche und südöstliche Grenze Boliviens zu seinen Nachbarstaaten Brasilien und Paraguay aus. Dort liegt auch die tropische Metropole Santa Cruz, die wie abgekoppelt vom Rest des Landes ein großes wirtschaftliches Zentrum bildet und deren Bevölkerung sich modern zeigt. Salsa und Merengue, Nachtclubs und Freizeitparks, Umschlagplatz für landwirtschaftliche Güter usw. Um das pulsierende Santa Cruz herum erstreckt sich dünn besiedeltes tropisch-heißes Tiefland, welches im südlichen Gran Chaco von trockenen Savannen und im nördlichen Teil von tropischen Regenwäldern dominiert wird.
Haben Sie schon einmal Weihnachten bei 35 Grad im Schatten gefeiert – zum Beispiel auf einer Reise? Wie wäre das für Sie, wenn Sie das Weihnachtsfest jedes Jahr im Sommer feiern müssten? Auf der Nordhalbkugel erreicht die Sonne bei der Wintersonnenwende in diesen Tagen die geringste Mittagshöhe über dem Horizont. Auf der Südhalbkugel, so in Südamerika, Australien und Neuseeland, beginnt zur selben Zeit der Sommer. Meist prägen unsere persönlichen Kindheitserinnerungen Vorstellungen von einer weißen Weihnacht mit romantischen glitzernden Bäumen und Städten.
Wie erleben die Menschen auf der Südhalbkugel oder in den Tropengürteln unserer Erde dieses Fest? Wie feiern die Bolivianer ihr Weihnachten?
Ab November wird in Bolivien – wie bei uns – die Vorweihnachtszeit eingeläutet. In allen Geschäften sowie auf der Straße werden Schmuckartikel und Lichterketten angeboten. Die sind dann mit FELIZ NAVIDAD beschriftet, also so viel wie „Frohes Fest“.
Es gibt kleine Weihnachtsmärkte, in den Schulen und Kindergärten wird Weihnachtliches gebastelt, es werden Weihnachtsbäume aufgestellt – aber die in der Regel aus Plastik. Weder im kargen Andenhochland auf 4000 Metern Höhe gibt es Nadelhölzer noch in den tropischen Wäldern des Tieflandes. Weil die Plastikbäume keine Nadeln abwerfen, kann man sie schon im November auf den öffentlichen Plätzen, in Geschäften und im Wohnzimmer aufstellen. Die Beleuchtung der Weihnachtsbäume ist meist sehr bunt und blinkt… Weihnachtslieder hört man ebenfalls ab November überall.
Weihnachtsplätzchen wie bei uns gibt es in Bolivien nicht. Stattdessen werden überall die Panettones angeboten – eine ursprünglich aus Italien stammende Art von süßem Brot. Adventskränze sowie den Nikolaustag kennt man höchstens in den christlichen Gemeinden in den Kirchen.
Ende November endet das Schuljahr und die Kinder haben zwei Monate Schulferien. Es sind die Hauptferien des Jahres und die Familien, die es sich finanziell leisten können, verreisen zur Weihnachtszeit in den Sommerurlaub.
Wer von uns kennt es nicht, dass man noch am Heiligabend tagsüber hektisch durch die Stadt rennt, um letzte Einkäufe zu tätigen und letzte Vorbereitungen zu treffen. In Bolivien geht es hier anders zu. An Heiligabend wird normal gearbeitet und viele Geschäfte sind bis etwa elf Uhr am Abend geöffnet. Gläubige besuchen eine Christmette. Man kommt erst kurz vor Mitternacht zusammen und zählt dann gemeinsam die letzten Minuten – wie bei uns an Silvester – herunter. Nach Mitternacht – La Noche Buena – fällt man sich in die Arme und es wird fröhliche Musik aufgelegt. Später wird ein Weihnachtsschmaus serviert. Traditionell gibt es Picana, das aus vier verschiedenen Fleischsorten wie Huhn, Rind, Schwein und Schaf in würziger Soße besteht.
Erst nach dem Essen gibt es Geschenke. Für die Kinder ist das eine echte Geduldsprobe! Die Präsente liegen in Bolivien nicht unterm Weihnachtsbaum, sondern um die Krippe herum. Apropos Krippe – auch da gibt es kleine Unterschiede zu unserer Tradition: so ist das Jesuskind in der bolivianischen Krippe auffallend größer. Vor Heiligabend wird es immer wieder mit in die Kirche genommen, um den heiligen Segen zu erhalten. Die Familien sitzen in dieser Nacht manchmal bis zum Morgengrauen zusammen… Den bei uns festgeschriebenen zweiten Weihnachtsfeiertag gibt es in Bolivien nicht – am 26.12. beginnt wieder das normale Arbeitsleben.
Weihnachten hat in breiten Bevölkerungsschichten Boliviens keine so starke Bedeutung. Viele Menschen haben keinen Urlaub zwischen den Feiertagen. Außerdem hat die indigene Bevölkerung keine traditionelle Verwurzelung im christlichen Glauben und damit auch nicht im Weihnachtsfest. Die europäischen Eroberer haben dieses Fest mitgebracht. Viel wichtiger sind diesen Menschen das Gedenken an ihre Toten am Allerseelentag sowie die Festivitäten rund um Karneval.
Andere Länder – andere Sitten…
Ich wünsche Ihnen frohe und schöne Weihnachtsfeiertage
Martina Ehrlich