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Martina Ehrlich

Ab sofort erscheint auf unserer Homepage immer freitags ein neuer Blog-Beitrag zu den unterschiedlichsten Regionen und Themen rund um Lateinamerika. Martina berichtet Aktuelles, Informatives, Skurriles und Spannendes vom Kontinent des Kolibris, erzählt Geschichten vom Reisen bis hin zu praktischen Tipps für die Vorbereitung Ihrer eigenen Reise.

Vom Kontinent des Kolibris 73 – Bilderbuchlandschaft in schwindelnder Höhe

Ganz im westlichen Hochland Boliviens breitet sich auf über 4.200 Metern über dem Meeresspiegel im Grenzgebiet zu Chile eine wahre Bilderbuchlandschaft aus, die ihresgleichen sucht. In Chile erstreckt sich mit 1.300 Quadratkilometern der Lauca Nationalpark mit seinen beiden Vulkankegeln Parinacota und Pomerape und dem davorliegenden See Chungará bis an die Grenze. Und in Bolivien geht das 1939 gegründete Schutzgebiet mit dem Sajama Nationalpark direkt weiter. Mal davon abgesehen, dass die mittlerweile komplett ausgebaute und asphaltierte Strecke von La Paz in Bolivien bis in die Hafenstadt Arica an die Pazifikküste Chiles als wichtige internationale Verbindungsstraße mitten durch die Nationalparks beiderseits der Grenze führt, ist das Gebiet sehr abgelegen. Beidseits der Grenzlinie gibt es Militärstützpunkte, um das jeweilige Land vor der Einfuhr illegaler Waren sowie Drogen zu schützen.

Die Landschaft dieses Grenzgebietes ist einfach nur grandios! Auf der bolivianischen Seite thront mächtig Boliviens höchster Berg und Namensgeber des gut 1.000 Quadratkilometer großen Nationalparks – der Vulkankegel des Sajama mit seinen 6.542 Metern Höhe. Er erhebt sich immerhin knapp 2.500 Meter über seinem Umland, der Hochebene des Altiplano im Department Oruro. Der symmetrische Vulkan gilt als einer der höchsten unserer Erde, er ist seit mindestens 25.000 Jahren erloschen. Der Gipfel ist mit einer Eiskappe bedeckt, so dass kein Krater erkennbar ist. Es werden regelmäßig Bohrkerne aus der Eiskappe über dem Krater entnommen und zu Forschungszwecken über die Klimaveränderungen seit der letzten Eiszeit in den Anden genutzt.

Diese ungebändigte Region Boliviens mit ihren Geysiren, Bergseen, Graslandschaften und heißen Thermalquellen sieht bei guten Wetterverhältnissen wie der Inbegriff einer Andenidylle aus. Lama- und Alpakaherden ziehen umher, wilde Vikunjas können beobachtet werden und sogar Pumas, Füchse, Flamingos und Kondore sind hier beheimatet. Das Leben der hier siedelnden Bolivianer ist noch sehr ursprünglich, ihre Häuser aus Lehmziegeln oder Steinen ducken sich pittoresk an die Bergflanken des Vulkans oder Schutz suchend in die erodierten Formationen des weichen farbenreichen Vulkangesteins. Die Indigenen leben von der Aufzucht ihrer Kameliden und von dem bisschen Andenhirse und Andenkartoffeln, die hier nur sehr spärlich wachsen. Sie müssen gut haushalten, nutzen wirklich alles, was die Kameliden ihnen schenken – von den Knochen übers Fell, Fleisch bis hin zum Kot, den sie als Dünger und Brennmaterial nutzen. Die Temperatur liegt tagsüber im Durchschnitt um die 10 °C und sinkt nachts immer auf 0 °C herab, oft weit darunter. Der jährliche Niederschlag dieser Gegend liegt bei etwa 300 mm.

Während meiner Reiseveranstaltertätigkeit konnten wir mit unserem gut ausgestatteten Reisefahrzeug für einige Tage nahezu autark unterwegs sein. Und so habe ich etliche Jahre mit den Reisegruppen am Fuße des Sajama in einer wunderschönen natürlichen Senke für zwei Nächte gezeltet, leicht verdauliches und damit höhenverträgliches Essen zubereitet, Coca-Tee gekocht, mit mitgebrachtem Feuerholz ein wärmendes Lagerfeuer entfacht, für die Nacht Wärmflaschen für alle gefüllt und außergewöhnliche Lichtstimmungen genossen. Ich werde nie vergessen, wie sich die langen Schatten langsam mehr und mehr in die rotschimmernde Vulkangegend gelegt haben, wie sich Herden von Lamas und Alpakas stumm in Richtung ihrer Gehöfte bewegten, um dort im geschützten Viehpferch dicht gedrängt der eisigen Nacht zu trotzen. Wie die Mutigen der in der Nähe lebenden indigenen Familie ab und zu bei uns vorbeischauten – aus Neugier und mit dem Wissen, dass immer etwas für sie übrig war: ein von Kunden dagelassener Schlafsack, frische – hier so rare – Nahrungsmittel, ein paar Kleidungsstücke oder Spielzeug für die Kinder. Es war wie eine stille Abmachung ohne viele Worte – wir gaben etwas ab und sie ließen uns in Ruhe an diesem besonderen Ort übernachten.

Wenn die Sonne weg ging, nahm sie auch sehr schnell jeden Anflug von Wärme mit – es wurde schlagartig eisekalt. Hinzu kommt dann noch die Höhe, die von unseren nicht wirklich höhentauglichen Körpern verarbeitet werden muss – eine echte Herausforderung für jeden. Rund um das Lagerfeuer sitzend, schaufelten wir wärmende Asche unter unsere Campingstühle, um von unten her etwas Wärme zu bekommen. Ich musste bereits abends Wasser in Töpfe abfüllen für den Morgentee und -kaffee, da in der Nacht grundsätzlich alle Wasserleitungen im Fahrzeug zufroren. Lange hielten wir es trotz der unsagbar herrlichen Stille und des sternenüberfluteten Himmels dennoch nicht am Feuer aus, denn die Kälte kroch unaufhörlich und unaufhaltsam langsam in alle Glieder. Die längst deponierte Wärmflasche im Schlafsack lockte.

Niemand kam am nächsten Morgen freiwillig vor Aufgang der Sonne aus dem Zelt. Nach einer meist nicht angenehmen Nacht taten das heiße Getränk und die rasch wärmende Sonne extrem gut. Man fragt sich, warum tut man sich das an? Sich solchen ungewohnten Strapazen freiwillig auszusetzen? – Die Antwort liegt im Erleben ebene solcher Abende, Nächte und Morgen. Diese mit faszinierenden, durch Erosionen steingewordenen Formationen in all ihren Farbvariationen, die Stille, die Sterne, die aufgehende Sonne, die ziehenden Herden und der mächtige Sajama im Rücken – wenn man das einmal erlebt, bleibt es unvergesslich.

Nach dem Frühstück besuchten wir einen Teil des Nationalparks mit unserem Fahrzeug, überquerten dabei Flüsse und Nassgebiete, sahen dabei viele Kameliden. In den umliegenden Siedlungen gilt der Sajama als ein Apu – ein Heiligtum. Wir passierten das kleine Dorf Macay mit seiner typischen andinen Kolonialkirche, kamen zu den zur Carangas-Kultur gehörenden Macaya Gräbern und gelangten schließlich zur Saquewa Lagune, in der sich Flamingos tummelten. Die Geysire von Walla Keris inmitten des Nichts haben uns in ihren Bann gezogen und ein Bad in den heißen Quellen von Sajama wärmten die geschundenen Glieder – wohl wissend, dass nun bald die zweite kalte Nacht ansteht…

Auch wenn diese wilden kalten Campingnächte zu den härtesten Herausforderungen unserer Bolivienreisen gehörten, so bleiben sie mir doch unvergessen. Es ist diese irrsinnig schöne Bilderbuch-Andenlandschaft und die unsagbare Stille in der Abgeschiedenheit, die sich mir intensiv ins Gedächtnis eingegraben hat.

Mittlerweile existiert als Gemeinschaftsprojekt von Familien in der Region die Tomarapi Ecolodge auf rund 4.200 Metern am Fuße des Sajama. Wenn Sie also bereit sind, auf Komfort zu verzichten und eine absolut einzigartige Landschaft und Stimmung zu erleben, können Sie eine mehrtägige Tour ab / bis La Paz unternehmen. Der Sajama gilt auch unter Bergsteigern als ein beliebter Gipfel.

Ein besonderes Kuriosum möchte ich nicht unerwähnt lassen, nämlich die legendären Fußballspiele innerhalb des Sajama Nationalparks… Das berühmteste dieser Fußballspeile fand am 12. Juni 2007 auf rund 6.000 Meter Höhe statt! Es nahmen neben Alpinisten auch der damalige bolivianische Präsident Evo Morales teil und ihm gelang das einzige Tor des Spiels. Mit dem Spiel protestierte er gegen eine neue Regelung der FIFA, die Länderspiele an Austragungsorten über 2.500 Metern über dem Meeresspeigel verbieten wollte. Betroffen von der Regelung waren vor allem die Länder Bolivien, Peru und Ecuador, die sich durch die hohen Höhenlagen bessere Chancen versprechen. Die Regelung wurde später auf 3.000 Höhenmeter korrigiert. – Mehr zum Kuriosum Fußball in Bolivien gibt’s in einer Woche!

Ihnen wünsche ich einen schönen ersten Adventssonntag,

Martina Ehrlich

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