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Martina Ehrlich

Ab sofort erscheint auf unserer Homepage immer freitags ein neuer Blog-Beitrag zu den unterschiedlichsten Regionen und Themen rund um Lateinamerika. Martina berichtet Aktuelles, Informatives, Skurriles und Spannendes vom Kontinent des Kolibris, erzählt Geschichten vom Reisen bis hin zu praktischen Tipps für die Vorbereitung Ihrer eigenen Reise.

Vom Kontinent des Kolibris 71 – das unscheinbare Blatt

Letzte Woche habe ich Sie auf die spannende Fahrt in die bolivianischen Yungas mitgenommen. Was ich dabei noch nicht erwähnt habe, sind etliche Fahrzeugkontrollen, denen man sich auf dieser Fahrt vor und nach der gefährlichen Piste mit den Engstellen unterziehen musste… Und das sah so aus: über die Fahrbahn war an bestimmten Stellen ein mit einem roten Band markiertes Seil, ein Draht oder eine Kette gespannt, auf selber Höhe links und rechts der Fahrbahn waren metallene Leitern, die auf einen „Kontrollturm“ führten. Manchmal waren es sogar richtige kleine Metallbrücken oderhalb der Straße oder daneben. Bolivianische Militärpolizisten waren an solchen Kontrollstationen stationiert. Sie prüften wahlweise die Papiere der LKW-Fahrer, der Mitreisenden, die Autopapiere und vor allem auch die Frachtpapiere. Manchmal kamen sie zu uns in den Fahrgastraum und zählten die mitfahrenden Gäste, ganz selten mussten alle aussteigen und sich ausweisen. Mit uns gingen die Kontrolleure in der Regel recht freundlich um.

Die einheimischen voll beladenen LKWs wurden allerdings oft sehr gründlich untersucht. Dazu stiegen die Polizisten auf die benannten „Türme“ oder „Brücken“ und kontrollierten mit Hilfe eines langen Metallstabs die Ladung. Sie stießen den Stab dabei durch Orangenladungen ebenso wie durch Säcke mit Kartoffeln. Was sie suchten? – Illegal transportierte Chemikalien in Richtung Yungas und illegal geerntete Coca-Blätter auf dem Weg ins Hochland…

Ich bin mir sicher, dass jede/r, wer zum ersten Mal frische Coca-Blätter zu Gesicht bekommt, erstaunt ist über das unscheinbare kokainenthaltende Blatt. Es hat in etwa die Form und Größe eines breiten Lorbeerblatts, ist allerdings etwas heller. Erythroxylum Coca ist der lateinische Name für den Coca-Baum, der natürlicherweise an den Ostabhängen der Anden – eben in den „Yungas“ – auf einer Höhenlage zwischen 600 und 1.800 Metern über dem Meeresspiegel vorkommt. Er wächst als immergrüner Kleinbaum mit gelben oder grünlich-weißen Blüten, die später zu kräftig roten kleinen Früchten reifen. In natürlichem Wuchs wird die Pflanze mit den Jahren ein bis zu fünf Meter hoher Baum, in Kultur wird er zwischen ein und eineinhalb Meter als Strauch gehalten, um die Blätter besser ernten zu können. Es gibt regelrechte Coca-Plantagen in den Yungas sowie auch in niedrigeren Höhenlagen, wo die Blätter dunkler und kräftiger werden. Coca-Sträucher gedeihen auch gut auf lehmigem, kargem Boden und brauchen keine weitere Pflege. Für einen Landwirt sind Coca-Sträucher äußerst anspruchslose Gewächse.

Man kann die Blätter des Coca-Strauches je nach Anbaugebiet und Alter der Pflanze bis zu viermal im Jahr ernten. Geerntet wird, wenn die Früchte leuchtend rot sind. Dann zupft man die Blätter gänzlich vom Strauch ab, so dass nur mehr das Gerippe dasteht. Die frischen Blätter werden auf einer ebenen Fläche – meist vor der Hütte des Coca-Bauern – durch ständiges Lockern und Wenden luftgetrocknet. Direkte Mittagssonne wird vermieden, da sie die Blätter leicht verbrennt. Auf den Trockenplatz stellt man oft einen kleinen Spiegel, er soll böse Geister abhalten.

Coca-Anbau und -Konsum haben in den Ländern Peru und Bolivien eine uralte Tradition. Selbst in der Legende zur Entstehung der Hauptstadt des Inkareiches spielt der Zweig einer Coca-Pflanze eine wichtige Rolle. Während des Inka-Imperiums durfte nur der Adel zu bestimmten Anlässen Coca konsumieren. Außerdem benutzte man Coca für Opfergaben, Riten, religiöse Zwecke und als Heilmittel. Coca war für die Inka ein „göttliches Geschenk“, also sozusagen heilig.

Bei den Andenbewohnern Boliviens ist der traditionelle Genuss von Coca-Blättern nach wie vor üblich und völlig normal. Coca wird alleine oder in geselliger Runde konsumiert, d.h ein Aufguss der Blätter wird getrunken oder die Blätter werden gekaut und dann über Stunden in der Wangentasche aufbewahrt und ausgesogen. Die Blätter dienen auch heute noch als Opfergabe für „Pachamama“ (= die „Mutter Erde“) sowie den „Yaritis“ (= Wahrsagern) als Hilfsmittel. – Um die Wirkstoffe der Cocablätter freizusetzen, kaut der „Coquero“ ca. 10-15 entrippte Blätter zusammen mit einer alkalischen Substanz (meist mit Kalk vermischte Pflanzenasche, z.B. die Stängel der Andenhirse). Der Batzen wird in einer Wangentasche aufbewahrt und der Speichel wandelt das in den Blättern enthaltene Kokain in das Alkaloid „Ecgonin“ um. Eine Kauperiode, die sogenannte „Coqueda“, dauert etwa zwei Stunden und gilt auch ein Zeitmaß. Wegstrecken oder Arbeiten werden in ländlicher Gegend traditionell auch heute noch in „Coquedas“ angegeben.

In abgelegenen Gegenden Boliviens und seiner Nachbarländer kann man in einigen Minen noch heute nachempfinden, wie einst die Indigenen behandelt und versklavt wurden zur Zeit der Kolonialherrschaft. Die Arbeitsbedingungen sind dort bis heute katastrophal, Kälte, Hunger und die Höhe plagen die geschundenen Arbeiter. Und genau dagegen hilft der Konsum von Coco-Blättern.

Coca-Kauen wirkt stimulierend und schmerzstillend, nimmt Hunger und Durst, lässt Kälte und Kummer vergessen. Es war von daher den Spaniern ein ideales Mittel, die Indigenen für die Zwangsarbeit in den Minen bis zum Zusammenbruch auszubeuten. 1569 wollte ein kirchliches Konzil durch Beschluss den Coca-Konsum verbieten. Coca wurde als „teuflisches Zeug“ bezeichnet. Aber man brauchte die Arbeitskräfte für die Minen. Die Europäer erkannten bei der Ausbeutung der Bodenschätze in den Zentralanden schnell, dass die Indigenen mit dem Konsum von Coca-Blättern viel belastbarer sind und damit besser und schneller arbeiten konnten. So gaben sie den vorher limitierten Coca-Konsum für alle Menschen gleichermaßen frei – aus ihrer Sicht, um effizienter die Minen auszubeuten, aus Sicht der Arbeiter, um mit den harten Bedingungen leichter umgehen zu können. In Minen vom „Cerro Rico“ in Potosí kann man heute noch sehen, wie die Leute Coca kauend in den gefährlichen Stollen schuften. Man sieht dabei auch, wie der dauerhafte Konsum der Coca-Blätter die Menschen „verblöden“ lässt…

Es wird geschätzt, dass in Bolivien und Peru jährlich um die 300.000 Tonnen Coca-Blätter geerntet werden, was einer Anbaufläche von etwa 300.000 Hektar mit drei bis vier Ernten pro Jahr entspricht. Davon werden etwa 45.000 Tonnen auf traditionelle Weise konsumiert, das heißt als Tee-Aufguss, in der Wangentasche gekaut, als Opfergabe für die Götter oder als Heilmittel für die Schamanen. Man sagt, dass ca. 100 Tonnen von der Pharmaindustrie aufgekauft werden, die die Coca-Blätter zu Medikamenten und einigen Kosmetikartikeln verarbeitet. Getrocknete Coca-Blätter enthalten ca. 0,5 bis 2,5 % Alkaloide, so genannte Coca-Alkaloide. Davon bestehen bis zu drei Viertel aus Kokain.

Um die 250.000 Tonnen der Coca-Blätter bilden die Grundlage zur Herstellung von Kokain! Für die Herstellung von 1 Kilo Kokainpaste werden ca. 600 Kilo Coca-Blätter benötigt. In Tausenden von kleinen versteckten Laboren in den Wäldern der Yungas und im Tiefland werden die bei den Bauern eingekauften Coca-Blätter mit Schwefelsäure, Natriumkarbonat, Kerosin und Kalk in Wasser zerstampft, verrührt, eingeweicht und gefiltert. Es entsteht die Kokainpaste (Kokainsulfat). Unter Zugabe von Aceton, Ammoniak und Äther wird die Kokainpaste dann zur Kokainbase raffiniert und schließlich durch Salzsäure in Kokainhydrochlorid umgewandelt. Kleine Flugzeuge, die von unscheinbaren versteckten Dschungelpisten starten, fliegen den Stoff in Nachbarländer aus, wo er dann zu reinem Kokainpulver weiterverarbeitet wird. Die absolut unübersichtliche und „wilde“ Grenzlinie zwischen Bolivien und Peru zu Brasilien im Tiefland lässt auch etliche Schmugglertrupps zu Fuß arbeiten. „Bezahlt“ wird dann oft mit Häuten, Fellen und lebenden Exoten… Der weitere Weg der „heißen Ware“ führt nach Europa und in die USA.

In Ecuador ist der Anbau des Cocastrauches offiziell verboten, in Bolivien dagegen erlaubt und in Peru seit 1978 legal. In Bolivien und Peru gibt es staatliche Ankaufstellen und die hier angelieferten Blätter gehen ausschließlich auf den legalen Inlandmarkt für den traditionellen Konsum. Da die Länder Bolivien und Peru den illegalen Anbau sowie „Vertrieb“ nicht in den Griff zu bekommen scheinen, schicken die USA immer wieder Militärberater und Fachleute der Antidrogenbehörde zur Unterstützung der beiden Länder in der Bekämpfung der Drogenmaffia. Dschungelgebiete werden dann mit Hubschraubern kontrolliert, Rollfeder, Labore und zum Teil ganze Coca-Felder abgebrannt und bombardiert.

Immer wieder wird der Versuch des Alternativanbaus von Tropenfrüchten unternommen, was die Coca-Bauern jedoch meist kategorisch ablehnen. Der illegale Verkauf von Coca-Blättern bringt mehr Geld, ein Ausstieg kann die Verfolgung durch die Drogenmaffia zur Folge haben. Und ob die Regierungen tatsächlich Interesse am Ausmerzen des Kokaingeschäfts haben, sei dahingestellt…

Reisende mit Symptomen der Höhenkrankheit oder auch als Vorbeugung trinken den „Mate de Coca“ – den Teeaufguss aus Coca-Blättern. Man spürt die beruhigende Wirkung von Coca-Tee in der Höhe tatsächlich recht schnell und empfindet ihn als wohltuend und hilfreich. In fast jedem Hotel steht bei der Rezeption und am Frühstücksbuffet Coca-Tee – entweder als Beuteltee oder in einem Schälchen die getrockneten Blätter. Dass dieser Aufguss nichts mit Kokainkonsum zu tun hat, wird schnell klar. Ich kann Ihnen Coca-Tee in großer Höhenlage nur wärmstens empfehlen! – Doch kommen Sie nicht auf die Idee, ein paar Blättchen Coca, Coca-Teebeutel oder die allseits beliebten Coca-Bonbons mit nach Hause nehmen zu wollen. In Deutschland fallen alle Coca-Produkte unter das Betäubungsmittelgesetz und ihre Einfuhr ist illegal!

Waren Sie schon mal in den Anden und haben Coca-Tee getrunken? Und hat er Ihnen geholfen, die Höhenanpassung leichter zu bewältigen?

Haben Sie eine gute Woche

Martina Ehrlich

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