(eine Marke von Leguan Reisen)

Telefon:+49 2234 657915
Email: travel@leguan-reisen.de

Öffnungszeiten:
Mo. – Fr.: 09:00 bis 12:30 Uhr
und 13:30 bis 18:00 Uhr

Cityscape,Of,La,Paz,,Bolivia,With,Illimani,Mountain,Rising,In
Picture of Martina Ehrlich

Martina Ehrlich

Ab sofort erscheint auf unserer Homepage immer freitags ein neuer Blog-Beitrag zu den unterschiedlichsten Regionen und Themen rund um Lateinamerika. Martina berichtet Aktuelles, Informatives, Skurriles und Spannendes vom Kontinent des Kolibris, erzählt Geschichten vom Reisen bis hin zu praktischen Tipps für die Vorbereitung Ihrer eigenen Reise.

Vom Kontinent des Kolibris 68 – Hexenkessel oder „die Improvisation einer Metropole“

Die Mepropole La Paz in Bolivien ist eine irre Stadt. Ich weiß eigentlich gar nicht so recht, wie ich diese Ansammlung von Tausenden unfertig aussehender Backsteinhäuser an den teils recht steilen Hängen der Stadtkessels beschreiben soll.

„Hexenkessel“ zum Beispiel, weil sich die urbane Großansiedlung tatsächlich in einen natürlichen Kessel zwängt und es dort inmitten der Altstadt tatsächlich einen Hexenmarkt gibt, auf dem man sich allerhand seltsame Dinge kaufen kann, wie zum Beispiel getrocknete Lama-Embryos für die vier Ecken im Fundament eines Neubaus.

Oder „Hauptstadt Boliviens“, weil in La Paz die bolivianische Regierung ihren Sitz hat, von dem aus sie die Geschicke des Landes lenkt – aber „stopp“, denn die offizielle Hauptstadt Boliviens ist das etwas abgelegene und kolonial beschauliche Sucre viel weiter im Süden gelegen. In La Paz hingegen gilt als höchstgelegener Regierungssitz weltweit.

„Hauptstadt der Indigenen“ Boliviens? – Vor allem in den oben gelegenen Stadtvierteln von La Paz dominieren indigene Gesichtszüge. In dieser Stadt ist vieles verrückt. So gelten hier zum Beispiel die tiefsten Wohnlagen als die besten, weil dort auf gut 3.100 Metern über dem Meeresspiegel die Luft noch nicht so dünn und kalt ist wie weiter oben in der Stadt. Das Zentrum von La Paz, in dem sich die wichtigsten Gebäude wie Regierungshäuser, Kirchen, Museen, schöne Plätze usw. befinden, liegt auf etwa 3.600 Metern überm Meeresspiegel. – Und dann geht es nochmal um 500 Meter hoch! Der internationale Flughafen von La Paz schließlich liegt auf etwa 4.100 Metern Höhe! Dieser Stadtteil wird so gut wie ausschließlich von indigener Bevölkerung bewohnt und hat sich mittlerweile als El Alto schon einen eigenen Stadttitel gesichert. Hier oben wird es nachts kalt und die Luft ist dünn, die Fahrwege sind meist unasphaltiert und der Wind bläst oft den ganzen Staub und Dreck durch die Luft. Je höher man wohnt – umso ärmer ist man in La Paz.

Die Stadt trägt auch den Beinamen „Stadt mit dem größten Höhenunterschied innerhalb einer Metropole“, was absolut berechtigt ist. Wer zum ersten Mal in El Alto – also oben am Flughafen von La Paz – landet, dem zittern wegen der ungewohnten Höhe nicht nur Beine und Arme, sondern der wird bei der Abfahrt in den Stadtkessel auch nicht schlecht staunen. Auch wer über den Landweg nach La Paz kommt, fährt gewöhnlich über die Autopista von El Alto zur Altstadt hinab. Wenn man da die Kehre mit dem ersten Ausblick nach rechts in den Kessel nimmt, stockt wohl jedem der Atem. Ob man nun das irgendwie immer unfertig aussehende, sich bis in die Tiefe weit ausbreitende Häusermeer als schön bezeichnen will, sei dahingestellt – beeindruckend ist es allemal. Und wenn dann noch der Blick auf die Berge der südlichen Königskordillere frei ist, wird man nicht nur wegen der dünnen Luft atemlos…

Der vollständige Name der Metropole lautet „Nuestra Señora de La Paz“, also „Unsere Liebe Frau des Friedens“. Zuvor trug die Siedlung den Aymara-Namen „Chuquiyapu Marka“ oder „Chuquiago“. Den heutigen Namen erhielt La Paz 1825 in Gedenken an eine wichtige und siegreiche Schlacht während des Unabhängigkeitskriegs gegen die Spanier bei Ayacucho im heutigen Peru. An den einstigen Stadtnamen erinnert der Name des Flusses Río Chokeyapu, der diesen Kessel ursprünglich geschaffen hat und der heute an manchen Stellen im südlichen Tal noch sichtbar ist. Im Prinzip ist die komplette Stadt auf einer natürlichen Geröllhalde errichtet. Der Boden backt zusammen aus Mergel, Lehm, Sand, Steinen und Konglomeraten. Wenn man manchmal die waghalsig auf einzelne Erdtürme oder an Abbruchkanten erbauten Häuser sieht, wird einem schwindelig. Gefährlich ist es, wenn nach dem Regen der Boden wieder austrocknet, Risse entstehen und es zu Abbrüchen kommt. Das ist wie bei einer Sandburg, wenn der nasse Sand trocknet und nicht mehr gut zusammenbackt. So können ganze Hänge abrutschen – ein Drama für die Bewohner.

Während meiner vielen Reisejahre in Bolivien habe ich die Überzeugung entwickelt, dass man in solch einem Land – und so auch in La Paz – nur mit einer gehörigen Portion Fatalismus und dem ein oder anderen Heiligenkult leben kann. Mit unserer Logik lässt sich hier nicht dauerhaft leben, sie zeigt viel zu sehr die ständigen Risiken auf, die man einfach akzeptieren muss als Teil des Seins. Dabei blendet man diese nicht aus, sondern man integriert sie ins Alltagsleben, indem man zum Beispiel beim Neubau eben die bereits erwähnten vier Lama-Embryos in die vier Ecken des Fundaments mit einzementiert, um das Haus sowie seine Bewohner vor Schaden zu schützen. Man zelebriert die kirchlichen Feiertage inbrünstig und mit indigenen Kulten vermischt, führt Tänze auf und musiziert für die Götter. Pachamama – Mutter Erde – werden Opfergaben gemacht, Schamanen segnen die Häuser. Dies alles ist in La Paz keine Exotik, sondern gelebter Alltag seiner Bewohner.

Im Großraum La Paz sollen gute zwei Millionen Menschen leben, davon ca. 800.000 im Kessel und der Rest in El Alto. Nach der wirtschaftlich bedeutenden Tieflandmetropole Santa Cruz und El Alto gilt La Paz als drittgrößte Stadt des Landes. Aufgrund der einzigartigen Topographie gibt es im Stadtgebiet nur wenige breite, flache Straßen und das Stadtzentrum kann nicht umfahren werden. Dies führt oft zu erheblichen Staus und es herrschen meist sehr chaotische Verkehrsverhältnisse. Wenn ich mich daran erinnere, wie wir mit unserem zum Reisefahrzeug umgebauten LKW mit den zwölf Gästen immer wieder durch dieses Chaos fahren mussten – mein damaliger Partner brauchte Nerven aus Stahl und ein Gemüt wie ein Buddha. Wenn dann noch ein Fest mit Tanz auf der Hauptstraße oder eine Umleitung war – da wurde es meist ganz leise im Bus… Die Nebenstraßen sind schmal, über all wuseln Leute herum, Minibusse hupen und drängeln sich in jede Lücke – das ist ein Wahnsinn.

Wenn ich an die Innenstadt von La Paz denke, dann denke ich an ein Knäuel aus tausend Geräuschen und ich denke an einen sehr spezifischen Geruch. Dieser Geruch ist eine Mischung, die ich sonst so von nirgendwoher kenne – angenehm ist er nicht. Hier mischen sich die Abwassergerüche aus den Lederfabriken mit dem Geruch starker Wasch- und Bleichmittel, die ungefilterten Abgase tausender kleiner und großer Fahrzeuge mit den Düften nach süß oder salzig Fettgebackenem. Es riecht nach Menschen, die sich nicht regelmäßig waschen können und nach dem ständigen Begleiter vieler Bolivianer, den zerkauten Kokablättern. Dazu unendlich viele Kräuter und Gewürze, die allerorten angeboten werden, Hinterlassenschaften von Hunden und und und. Diesen Geruch, diese spezielle La Paz-Mischung kann ich schlecht beschreiben, aber ich habe sie sofort in der Nase, wenn ich an die Stadt denke.

Für mich sind die Paceños, wie die Bewohner aus La Paz genannt werden, urbane Überlebenskünstler. Alleine die Distanzen, die die Indígena aus El Alto täglich bewältigen müssen, wenn sie runter zum Markt oder zu ihrer Arbeitsstelle gehen. Zur Unterstützung der Menschen und zur Verbesserung der Verkehrsverhältnisse wurden seit 2014 mehrere Stadtseilbahnen gebaut, die die unteren mit den oberen Stadtteilen verbinden. Dies schafft eine echte Entspannung des Straßenverkehrs, ist angenehm für die Bewohner und eine neue Attraktion für die Besucher von La Paz.

Faszinierend sind auch die schneebedeckten Berge oberhalb von La Paz. Der markante Huayna Potosí mit seinen 6.088 Metern, der Chacaltaya als ehemals höchstgelegenes Skigebiet der Welt mit seinen gut 5.400 Metern sowie der spektakuläre Hausberg Illimani mit seinen 6.439 Metern – sie alle bilden ein einzigartiges Ensemble des Staunens rund um eine einzigartige Stadt.

Haben Sie Lust bekommen auf den Hexenkessel? – Dann entdecken Sie langsam und mit viel Cocatee wegen der Höhe und mit offenen Sinnen eine Stadt, die ihresgleichen sucht!

Ich merke gerade, dass es schon viel zu lange her ist, dass ich zum letzten mal in La Paz war – es wird mal wieder Zeit…

Hasta la proxima semana

Martina Ehrlich

 

Teilen :

Twitter
Telegram
WhatsApp
  • Alle Beiträge
  • Allgemein
Alle Beiträge
  • Alle Beiträge
  • Allgemein
Allgemein

Vom Kontinent des Kolibris 83 – Stelldichein in Rosa

Wenn man in bestimmte Gebiete Mittel- und Südamerikas reist, wird man ihnen begegnen – den grazilen, oft auf nur einem Bein stehenden rosa Flamingos. Und ...
ZUM ARTIKEL »
Allgemein

Vom Kontinent des Kolibris 82 – Vulkane und Lagunen in Nordchile

Da die Ländergrenzen der Andenstaaten im Süden des südamerikanischen Kontinents oft entlang der höchsten Gipfel verlaufen, breiten sich vielerorts genau westlich und östlich dieser Grenzgebiete ...
ZUM ARTIKEL »

Schreibe einen Kommentar