(eine Marke von Leguan Reisen)

Telefon:+49 2234 657915
Email: travel@leguan-reisen.de

Öffnungszeiten:
Mo. – Fr.: 09:00 bis 12:30 Uhr
und 13:30 bis 18:00 Uhr

DSC_3090 Fahrt ins Heilige Tal6
Picture of Martina Ehrlich

Martina Ehrlich

Ab sofort erscheint auf unserer Homepage immer freitags ein neuer Blog-Beitrag zu den unterschiedlichsten Regionen und Themen rund um Lateinamerika. Martina berichtet Aktuelles, Informatives, Skurriles und Spannendes vom Kontinent des Kolibris, erzählt Geschichten vom Reisen bis hin zu praktischen Tipps für die Vorbereitung Ihrer eigenen Reise.

Vom Kontinent des Kolibris 65 – ein Andenmärchen…

Heute möchte ich Ihnen einmal wieder ein Andenmärchen vorstellen – leicht abgewandelt aus dem Buch „Wo der Kondor wacht und die Berge sprechen…“ aus der FOKUS Edition Bielefeld:

Der Tayta Wamani – der Geist des Berges

Eine junge Lamahirtin lebte in einer Gemeinde in einem kleinen Tal, umgeben von den gigantischen Anden. Tag für Tag führte sie ihre Lamaherde zu den Weideflächen, die etwas oberhalb des Dorfes in den Bergen lagen. Während die Lamas friedlich grasten, verweilte sie am liebsten in einiger Entfernung am Ufer einer kleinen Lagune, die es in dieser einsamen Gegend gab. Dabei spann sie und stimmte melodische Lieder an. An einem dieser Tage bedeckten große, dunkle Wolken den Himmel und kündigten ein schreckliches Unwetter an. Plötzlich kam ein dichter Nebel auf und nahm dem Mädchen die Sicht auf ihre Lamas. So begann es – auf der Suche nach ihnen – die Abhänge hinaufzusteigen. Höher und höher kletterte die junge Frau. Einige Stunden war sie bereits unterwegs, ohne auch nur eine Spur von den Tieren zu entdecken.

Mit einem Mal erkannte sie in ihrer unmittelbaren Nähe einen gut aussehnden Mann, groß und stark, der mit einem langen Poncho, einem Hut aus Stoff und Stiefeln aus Leder bekleidet war. Er ritt ein edles, weißes Ross. Überrascht über diese Erscheinung, blieb die Lamahirtin wie angewurzelt stehen. Der Mann hingegen kam immer näher und sie konnte bereits seine Gesichtszüge, seinen hellen Teint und seine klaren und tiefgründigen Augen erblicken, die sie mit Aufmerksamkeit ansahen. Sogleich sprach er die junge Frau an, die sich aber vor lauter Angst entfernte und ihre Suche nach den verlorenen Lamas im Nebel fortsetzte. „Ich habe diesen Mann niemals vorher gesehen. Villeicht ist er ein Räuber“, dachte sie beunruhigt.

Zum Glück brach die Mittagszeit an. Die starken Sonnenstrahlen zu dieser Stunde lösten den Nebel auf und endlich konnte das Mädchen ihre Lamas sichten und zusammentreiben, um alsbald nach Hause zurückzukehren. Die Verwunderung war groß, als sie erkannte, dass der mysteriöse Mann mit einem Mal spurlos verschwunden war. Nicht einmal Abdrücke der Pferdehufe konnte die junge Frau finden. Etwas verunsichert sah sie sich um. Beobachtete er sie vielleicht aus einiger Entfernung? Nein, die konnte ihn nirgends ausfindig machen.

Als sie des Nachmittags heimkehrte, erzählte sie ihrer Familie nichts von dem, was ihr in den Morgenstunden weit draußen auf den Feldern widerfahren war, denn sie wollte ihre Eltern nicht beunruhigen. Aber am nächsten Morgen bat sie ihre kleine Schwester, sie zu begleiten. Der Tag verging, ohne dass etwas Seltsames geschah. Das Wetter war wunderschön, und während die Lamas grasten, unterhielten sich die Schwestern am Ufer der Lagune und genossen die Sonne. Die Zeit verging und die kleine Lamahirtin vergaß den Zwischenfall, bis sie eines Tages bei schlechtem Wetter erneut von einem dichten Nebel umhüllt wurde. Da begegnete sie dem gleichen Herrn und dieses Mal erschien er so nah vor ihr, dass sie nicht einfach verschwinden konnte. Ohne Zeit zu verlieren, sprach er von großer Liebe und erzählte ihr, dass er sie zu seiner Frau machen wollte. Bestürzt veruchte die junge Frau zu fliehen, aber der mysteriöse Mann hielt sie zurück. „Vergblich ist es, vor mir zu fliehen“, verkündete er, „denn ich erreiche immer das, was ich mir vornehme.“ Das Mädchen war verzweifelt und in ihrer Unglückseligkeit begann sie zu weinen. Da ging der Mann fort und der dichte Nebel löste sich wieder auf. Die Hirtin blickte in den Himmel und wie auch bei ihrer ersten Begegnung hatte die Sonne ihren höchsten Punkt erreicht, als der Fremde verschwand. „Er erscheint immer am Mittag und inmitten eines dichten Nebels“, überlegte sie. „Welch ein merkwürdiger Mann!“

Diese Nacht war sie ganz aufgeregt und als sie endlich schlafen konnte, hatte sie einen ungewöhnlichen Traum: Sie war in den Bergen, als sie von einem dichten Nebel umhüllt wurde. Sogleich näherte sich der unheimliche Mann und drohte: „Erzählst du deinen Eltern von mir, so wirst du sterben!“ Schweißgebadet erwachte das Mädchen. Von ihrer großen Angst getrieben, entschied sich sich, über das Vorgefallene zu schweigen.  Von Tag zu Tag fiel es der jungen Frau schwerer, neuen Mut zu fassen und die Lamaherde auf die Wiesen zu führen. Doch die Angst, dass ihre Eltern etwas ahnen könnten, war zu groß und so versuchte sie, ihre Arbeit wie gewöhnlich fortzusetzen.

So kam es, dass eines Tages erneut eine dunkle Wolkendecke den Himmel verhang, und während das Mädchen ihre Lamas weidete, erschien erneut der fremde Mann um die Mittagszeit und inmitten eines dichten Nebels. Die junge Frau hörte einen Pfiff. Sie drehte den Kopf und blickte in das Gesicht des Fremden, der sie umarmte, sie liebkoste und ihr von seiner großen Liebe erzählte. „Meine Frau sollst du sein und mit mir zusammen leben“, sprach er. 

Mit der Zeit hatte die Hirtin aufgehört, ihn allzu sehr zu fürchten und ließ es zu, dass er sie liebkoste und umschmeichelte. Allerdings bat sie den gut aussehnden Mann, dass er mit ihr ginge um sich ihren Eltern vorzustellen. „Meine Familie soll dich doch kennenlernen!“ – „Lernen sie mich kennen, so werden sie unserer Vermählung nicht zustimmen“, antwortete er bestimmt. „Sie dürfen nichts von mir wissen. Ich habe es dir doch bereits deutlich gemacht,“ erinnerte er sie kurz und bündig. Die Lamahirtin hörte auf ihren Geliebten und führte ihr Leben fort, als wäre nichts geschehen. So verstrich die Zeit, der Fremde tauchte manchmal auf und sie spazierten gemeinsam über die Ländereien. Hin und wieder verschwand der Mann und blieb lange Monate fort, ohne der jungen Frau eine Erklärung zu geben. Doch sobald er zurückkehrte, beteuerte er seine Liebe und Treue. „Eine lange Reise liegt hinter mir, doch schon bald werde ich mich niederlassen und zusammen werden wir für immer sein!“

An manchen Tagen wartete das Mädchen viele Stunden, ohne dass ihr Geliebter erschien, und von der Enttäuschung getrieben, kamen ihr düstere Gedanken. „Was soll ich nur tun?“, fragte sie sich. „Ich kenne diesen mysteriösen Mann doch gar nicht, der kommt und geht, wie es ihm beliebt. Ebenso wenig kenne ich seine Familie, noch woher er kommt“, überlegte sie und begann jämmerlich zu weinen.

Eines Nachmittags, während sie am Rand der Lagune wartete, fiel die junge Frau in einen tiefen Schlaf und hatte einen sonderbaren Traum: Sie war innerhalb des Berges, der wie eine große Höhle mit hohen Wänden war. Der mysteriöse Mann begleitete sie, liebkoste und küsste sie leidenschaftlich. Sie selbst ließ sich von ihrem Geliebten fortführen. Immer tiefer und tiefer gingen sie in den Berg hinein, als sie verstand, dass das Innere des Berges das Haus des Mannes war. Eleganz und Schönheit zeichneten diesen Ort aus und sie konnte sich vorstellen, im Schutz des Berges glücklich und zufrieden zu leben. Mit einem Mal wurde der Traum Wirklichkeit und die Lamahirtin befand sich im Innern des Berges. Sie spürte Leben in ihrem Körper und entschied sich, mit ihrem Mann an diesem prachtvollen Ort zu leben und nicht mehr zu ihrem Elternhause zurückzukehren.

Unterdessen machte sich ihre Familie große Sorgen. Beunruhigt befragten sie zunächst alle Dorfbewohner, doch keiner hatte die junge Lamahirtin gesehen. Da nahmen sie ihre Suche nach der verlorenen Tochter auf. Die Eltern mitsamt den Geschwistern kletterten auf den höchsten Berg und stiegen bis ins tiefste Tal hinunter. Sie suchten alle Felder und sogar die Nachbardörfer ab. Auch befragten sie die Tiere und die Menschen von jung bis alt. Doch das Einzige, was sie fanden, waren die Lamas, die immer noch friedlich nahe der Lagune grasten. Mit großer Trauer trieben sie die Tiere zusammen und kehrten schließlich mit der Herde nach Hause zurück.

Diese Nacht träumten die Eltern von ihrer Tochter: sie sprach zu ihnen, dass sie erst in zehn Jahren zurückkehren würde und dass sie nicht traurig sei sollten. Trotz dieses Traums gaben die Eltern nicht auf und setzten ihre Suche fort. Da stießen sie auf einen alten Hirten, der ihre Tochter wohl vor langer Zeit gesehen hatte, zusammen mit einem gut aussehenden Mann, der ein weißes Pferd ritt. „Der Tayta Wamani“, brachte der Vater hervor, und all die Hoffnungen, sie schon bald wiederzusehen, verschwanden. Monate um Monate, Jahre um Jahre vergingen. Die Eltern der verlorenen Tochter wurden immer älter und tief saß die Trauer über das elende Schicksal, das sie ereilt hatte.

Genau nach zehn Jahren kehrte ihre Tochter zurück, wie sie es im Traum versprochen hatte. An ihrer Hand lief ein wunderschönes Mädchen im Alter von zehn Jahren. Nachdem sie ihre Familie begrüßt hatte, sprach sie: „Dies ist meine Tochter, Frucht meiner Beziehung mit dem Tayta Wamani, mit dem ich zusammen lebe. Ich bin glücklich und deshalb solltet auch ihr glücklich sein. Nun hat er mir erlaubt, euch zu besuchen. Aber nur dieses eine Mal. Ich muss schon gleich wieder fort und werde nie wieder zurückkehren.“ – Als die Eltern und die Geschwister dies hörten, brachen sie in Tränen aus. „Warum hast du uns nichts davon erzählt?“, wollten sie wissen. „Warum dürfen wir dich nicht wiedersehen?“, fragten sie ungeduldig. Da begab sich die Gattin des Berggeistes mit ihrer Tochter an der Hand bereits auf ihren Rückweg. Sie entfernte sich immer weiter, bis ihre Familie sie nicht mehr sehen konnte.

Ab diesem Tag ward sie nie wieder gesehen.

Teilen :

Twitter
Telegram
WhatsApp
  • Alle Beiträge
  • Allgemein
Alle Beiträge
  • Alle Beiträge
  • Allgemein
Allgemein

Vom Kontinent des Kolibris 85 – Atacama-Wüste

Die Wüste von Atacama gilt gemeinhin als die trockenste Wüste unserer Erde außerhalb der Polarregionen. Sie liegt ganz im Norden Chiles und grenzt im Westen ...
ZUM ARTIKEL »
Allgemein

Vom Kontinent des Kolibris 84 – Riesenblässhühner mögen’s hoch

An den Lagunen des Hochlandes Boliviens, Perus und Nordchiles hört man oft ein ziemlich dominantes lautes Piepsen, Quieken, Lachen und Bellen. Schnell ist klar, dass ...
ZUM ARTIKEL »

Schreibe einen Kommentar