Mit diesen beiden Bezeichnungen könnte man die Vegetation der Puna – der weiten Flächen zwischen den Bergketten der zentralen Andengipfel – treffend bezeichnen.
Wenn man zum ersten Mal in die Puna kommt, entsteht meistens ein Gefühl von unendlicher Weite, Trostlosigkeit und Lebensfeindlichkeit. Die Landschaft hat nichts Liebliches, Verspieltes, Einladendes. Natürlich kommt es – wie überall auf der Welt – aufs Wetter an. Zur Regenzeit (so zwischen Oktober und Mai) wabert oftmals ein dichter Nebel übers Land, feuchtkalte Luft kriecht bis unter die Haut – alles erscheint Grau in Grau. Anders wirkt die Hochebene in den Trockenmonaten ab Mai bis in den Oktober hinein. Es ist zwar Winter in den Zentralanden zu dieser Zeit, aber eben auch die Zeit mit so gut wie keinen Niederschlägen. Wenn man sich dann in den Höhenlagen zwischen 3.800 und 4.200 Metern über dem Meeresspiegel aufhält, erlebt man zwei Elemente in ihren Extremen: zum einen die Sonne mit ihrer wärmenden Kraft, vor der man sich in diesen Lagen auch wirklich gut schützen muss. Zum anderen – wenn die Sonne untergeht oder man im Schatten steht – die unglaubliche Kälte der Höhenluft. Es gibt fast keine Nacht, in der das Thermometer nicht weit unter die Null-Grad-Grenze sinkt.
Wie kann man hier als Mensch dauerhaft leben? Und das oftmals auch noch unter den einfachsten Umständen in Häusern aus Stein, Lehm oder Salz? – Das bleibt mir unbegreiflich.
Und wie überleben das die Pflanzen hier?
So wie im Tiefland die üppige Pflanzenwelt alles dafür tut, um weg vom Boden nach oben dem Licht zuzuwachsen, so hat man in der Puna das Gefühl, dass sich nichts weg traut vom Boden. Die Erde der Anden ist fruchtbar und gibt den Pflanzen alle nötigen Nährstoffe – die Luft hingegen birgt die Gefahr einerseits des Erfrierens bei Nacht durch die eiskalte Luft und andererseits des Verbrennens unter der gnadenlosen Sonneneinstrahlung bei Tage…
Wenn man sich in der endlos wirkenden Weite mal die Vegetation näher anschaut, kann man so manches kleine und große Wunder entdecken. Dominiert wird die sanft hügelige Hochebene zu Beginn der Trockenzeit vom grün-gelben und dann immer goldgelber scheinenden sogenannten Ichu-Gras (verschiedene Stipa- und Festuca-Arten). Gras, das borstig pieksend in dichten Büscheln wächst, um in seinem Büschelherzen weder auszutrocknen noch zu erfrieren. Diese leuchtenden Tupfer im Hochland schenken der Landschaft eine Farbenpracht, die jeden Fotografen begeistert.
Aber damit noch lange nicht genug: es gibt viele Pflanzenarten, die Polster bilden, welche nur sehr langsam wachsen und sich aus besagten Gründen ganz dicht an den Erdboden schmiegen. Da sind z.B. die hellgrünen Fladen eines Nelkengewächses – Pycnophyllum, die aussehen, als hätte jemand einen Kübel weißgrüner Farbe ausgeleert. Wenn man sich die Mühe macht und diese „Lachen“ mal näher ansieht, erkennt man ein Muster aus Schuppenblättchen, die sich so eng aneinanderschmiegen, dass kein Lufthauch dazwischen passt. Es gibt viele solcher Polsterpflanzen in den Anden – nirgendwo sonst auf der Welt eine solche Vielzahl und Vielfalt. Auch verschiedene Kakteenarten bilden hier enge Poster und erfreuen den Besuchen ab und an mit ihren herrlichen Blüten.
Aber es gibt da auch noch die eine Polsterpflanze, die sich hoch über dem Boden erhebt. Sie leuchtet auffällig saftig grün, kann bis zu eineinhalb Meter hoch werden und in ihrer wellig-runden Form regelrecht einladend wirken, dass man sich gerne auf ihr niederlassen möchte. Doch Achtung – sie ist steinhart! Die sogenannten Llaretas oder Yaritas sind Doldenblütler aus der Gattung Azorella, die sehr, sehr langsam im Hochland der Puna wachsen – man geht von einem Wachstum von einem Quadratmillimeter im Jahr aus! Zuerst wachsen sie in die Breite, doch schon bald beginnt die Wölbung nach oben, die der Llareta ihre typische Kissenform verleiht. Sie wölbt sich immer mehr nach oben und wächst dabei auch weiter in die Breite. Dabei passt erstens nichts zwischen die Pflanze und die Erdoberfläche und zweitens nichts zwischen die einzelnen harten Miniblättchen der Pflanze. Darunter liegen eng aneinander die einzelnen „Stiehle“, die die starke Pfahlwurzel im Erdinnern mit den Blättchen verbinden. Die Pfahlwurzel selbst verkürzt sich im Laufe der Zeit wieder etwas und zieht damit die Llareta noch enger an die Erdoberfläche. Um alles noch enger zu verbinden und gegen die Unbilden der Höhe sowie Fressfeinde zu schützen, produziert die Llareta Harz, das Zweige und Blätter aneinanderkleben lässt. Als Sitzgelegenheit ist das vermeintlich weiche Kissen also auf keinen Fall geeignet – zu hart und total harzig. Die wirklich besondere hochandine Pflanze entwickelt hübsche winzig kleine gelbe Blütchen und später orangefarbene Samen. Im Grunde ist die Llareta so etwas wie ein uralter Baum: die Pfahlwurzel im Boden bildet den Stamm, die eng aneinandergereihten Stiehle bilden die Äste und die Blättchen und Blüten bilden die geschlossene Baumkrone. Aber das ist nur ein Gedankenspiel – vom Alter her könnte es dennoch zutreffen, denn Llaretas mit einem Durchmesser von drei, vier Metern sind etliche Hundert Jahre alt.
Einige der Hochlandpflanzen bilden zum Schutz Harze aus. Leider wurde dies den Pflanzen – allen voran der Llareta – zum Verhängnis. Die Bauern des Hochlandes schätzten den hohen Brennwert lange bevor die Europäer in die Anden kamen und holten sich mit Steinäxten, was sie brauchten, um ihre Feuer zu entfachen. Mit der Eroberung wurden dann viele Minen in den Bergen entdeckt und man wollte die wertvollen Rohstoffe aus dem Gestein schmelzen. In Ermangelung von Bäumen in der Puna erkannte man rasch die Brennstoffquelle der Llareta und so wurde sie gnadenlos mit Äxten aufgeschlagen und in die Minen gebracht als Brennmaterial. Im Grunde war das nichts anderes als die Abholzung des Regenwaldes – wo wieder der Vergleich zum Baum entsteht… Heute steht die Llareta unter Schutz, zum Glück.
Auch für Nicht-Botaniker hält das andine Hochland so manche Überraschung bereit. Ichu-Gras, Polsterpflanzen, Kakteen verschiedenster Art, Bonsai-Bäumchen und Sträucher wie die sperrige Tola – alle trotzen sie den Unbilden des harten Klimas, indem sie sich bodennah entwickeln, Harze oder weißen Flaum auf ihren Blättchen oder Kaktustrieben bilden, um Kälte und Sonne abzuweisen.
Das war Part „1“ bodennah – nächste Woche möchte ich Ihnen Part „2“ himmelstürmend vorstellen…
Bis dahin machen Sie’s gut,
Martina Ehrlich